Gibt es eine universelle Moral?

Zu den angeborenen Werten kann man zählen:
- Die Fähigkeit, Empathie zu empfinden
- Die Fähigkeit, zu teilen, selbst wenn es auf eigene Kosten geht
- Die Fähigkeit, zu kooperieren
- Das Bedürfnis, für das Wohlergehen der eigenen Familie /des eigenen Stammes zu sorgen
- Der Sinn für Fairness

Diese Werte / sozialen Regeln sind allen Menschen gemein, egal welche Kultur und Epoche.


Wir sollten unterscheiden zwischen angeborenen Verhaltensweisen, erlernten Verhaltensweisen, moralischen Entscheidungen, und Moralsystemen.
Diese Begriffe überlappen alle, aber sind nicht das selbe.

Wie können Wissenschaftler überhaupt rausfinden, was angeboren ist?
- Wenn die Verhaltensweise / das Werturteil universal in allen Gesellschaften, oder sogar bei Tieren vorkommt
- Wenn es ohne Vorprägung im Säuglingsalter auftritt (der Studienaufbau muss natürlich entsprechend sorgfältig sein)


Einige Quellen:
Das Moral-Gen: Ist das Gute im Menschen angeboren? Wissenschafter meinen: ja
https://www.profil.at/home/das-moral-gen-ist-gute-menschen-wissenschafter-169043

Babys haben angeborenen Instinkte bezüglich dem moralisch Richtigem:
https://www.swr.de/wissen/Ist-Moral-angeboren-oder-wird-sie-erlernt,aexavarticle-swr-46548.html

moralische Urteile werden vor allem von instinktiven Emotionen gesteuert:
https://www.focus.de/wissen/mensch/neurowissenschaft/siefers-hirnwelten_aid_56993.html


Der moralische Instinkt: Über den natürlichen Ursprung unserer Moral
Link mit Kernaussagen des Buches
https://books.google.de/books?id=wzEP4_7TKRMC

Papageien sind hilfsbereit, erwidern Gefallen, und kooperieren:
https://www.mpg.de/14319760/hilfsbereite-graupapageien

https://de.wikipedia.org/wiki/Humanethologie

Der Zeit-Artikel
https://www.zeit.de/wissen/2015-05/moral-werte-kultur-emotionen
widerspricht dem meines Erachtens nicht.
Er betont nur sehr stark, dass man nicht automatisch von angeborenen Verhaltensweisen auf ein fertiges, unveränderliches Moralsystem schließen darf.
Alle angeborenen Verhaltensweisen lassen sich kulturell überformen - so dass wir am Ende sogar "gegen unsere Natur" handeln, wie die Redewendung geht.
Das ist ja das Besondere am Menschen: Dass wir nicht nur instinkt- und Emotionsgesteuert sind.
Wir lassen unsere Verhaltensweisen auch sehr stark durch unsere Mitmenschen formen.
Und wir sind sogar in der Lage, durch rationales Abwägen unsere eigenen Verhaltensweisen zu beeinflussen.
Der Artikel bringt dazu schöne Beispiele.

Hier einige Zitate aus dem Artikel:
Und im interkulturellen Vergleich fällt auf, dass so universell erscheinende Prinzipien wie das der Anteilnahme oder der Reziprozität (Prinzip der Gegenseitigkeit: Wenn ich wertvoll bin, dann bist du es auch) eben sehr verschieden ausgeformt sind und gelebt werden.

Wer nach den biologischen Wurzeln der Ethik sucht, unterschätzt dabei leicht die Macht der Kultur.

Die Neuroethik lehrt zumindest eins: Nicht Gut und Böse selbst sind im Gehirn angelegt, sondern unsere Fähigkeit, sie zu empfinden.
Der Mensch ist zur Moral geboren – nur nicht zu einer bestimmten.

Ethik (Moralsysteme) sind relativ, und wir Menschen müssen immer wieder neu aushandeln, wie wir zusammen leben wollen.

Mit der Erwähnung der angeborenen Verhaltensweisen will ich zeigen, dass Werte auch ohne die Bibel/Gott Wurzeln und Ursprünge haben, und nicht notwendigerweise ein biblisches Fundament brauchen.
Nicht falsch verstehen: in der Bibel finden sich hervorragende ethische Leitlinien - sowohl konkret ausformuliert, als auch implizit angelegt, und erst später von Theologen konkret ausformuliert.
Aber die Bibel ist nicht die erste, alleinige oder allein gültige Quelle von Werten.

Zusammenleben im Stamm


Interessanterweise klappt die einigermaßen zuverlässige Umsetzung dieser Regeln aber nur bis zu einer Personengröße von ca. 100 - 150 Personen.
Bei Fremden gelten ganz andere Regeln: Sie müssen abgewehrt werden, auch mit Gewalt und Tod.

Hier spiegelt sich die Lebensrealität des Menschen, in der er viele 100 000 Jahre war:
Der eigene Stamm war nie größer als ca. 100 Menschen, und die Quelle aller Nahrung und Sicherheit.
Fremde Stämme waren eher Konkurrenten, die man sich vom Leib halten mußte.

Die heutige Wertevielfalt spiegelt die Tatsache wieder, dass wir erst seit kurzem in einer Gesellschaft mit vielen 1000 oder Millionen Menschen leben. Die Zeit hat noch nicht gereicht, neue Regeln für die neue Situation genetisch zu verankern.
Anstatt versuchen wir mit Hilfe der Kultur, der Religion und der Mythen uns ein gemeinsames Regelwerk zu geben. Das funktioniert auch erstaunlich gut.

Unmenschliche kulturelle Traditionen

Es gibt auch Negativ-Beispiele: Ich finde diese kulturellen Traditionen auch nicht gut, ich kann aber verstehen, wie sie zustande kommen. Dies will ich erklären:

Witwenverbrennung
Die Frau ist in vielen Kulturen Eigentum des Mannes. Warum das so ist, würde hier zu weit führen. Jedenfalls kommt das Eigentum in die Ewigkeit mit dazu.


Selektion von wertem/unwerten Leben,
Ein Stamm auf Wanderschaft konnte schlicht und ergreifend nicht alle Kranken und Alten mitschleppen und durchfüttern, sonst war das Überleben des gesamten Stammes gefährdet.
Mit der selben Logik gingen die Nazis vor: Die Arier befanden sich in einem Kampf der Rassen auf Leben und Tod. Da musste man unnötigen Ballast loswerden.

Kommunismus,
Der Kommunismus als praktisches Gesellschaftssystem ist gescheitert, aber die dahinterliegenden theoretischen Gedanken sind durchaus christlich:
- Alle Menschen sind gleich würdig, und haben Wert unabhängig von ihrer Leistung
- Jeder Mensch soll frei sein.

- Gemeineigentum war Jahrtausende das Standard-Modell. Erst mit dem Aufkommen von Ackerbau und eigenem Grund und Boden setzte sich das Modell des individuellen Besitzes durch.
Doch keineswegs total: Wir haben immer noch viele Güter im Allgemein-Eigentum.
Die Allmende war im Mittelalter der Weidegrund, den alle nutzen durften. Daher der Ortsname Ellmendingen.

Der Kommunismus hat viele Ausprägungen:
https://de.wikipedia.org/wiki/Kommunismus


Ein Artikel dazu
https://www.profil.at/home/das-moral-gen-ist-gute-menschen-wissenschafter-169043

Moral und die Bibel

Greifen wir uns mal die wichtigsten biblischen Themen raus, die bei der Wertediskussion oft zitiert werden.

A) 10 Gebote


Wenn man die 10 Gebote (in beiden Fassungen) mal bewusst liest, stellt man folgende Sachen fest:
- Ich bin JHWH, dein Gott, der dich aus Ägypten geführt hat -> Die Gebote sprechen exklusiv das Volk, das aus Ägypten geführt wurde, an
- Du sollst dich nicht vor anderen Göttern niederwerfen -> Es gibt viele Götter
- "Heilige den Sabbat ... dein Sohn und deine Tochter, dein Sklave und deine Sklavin"-> Sklaverei ist rechtmäßig
- Du sollst nicht nach dem Haus deines Nächsten verlangen, nach der Frau deines Nächsten, ... oder nach irgendetwas, das deinem Nächsten gehört -> Frauen gelten als Eigentum.

Für die jüdische Antike waren diese 10 Gebote bestimmt fortschrittlich, aber wir haben uns in den letzten 3000 Jahren sozial und gesellschaftlich weiterentwickelt.
Nach heutigen Maßstäben sind die 10 Gebot nicht kompatibel mit der allgemeinen Menschenwürde.
Entsprechend müssten die Gebote angepasst werden.
Auch die Christen halten sich nicht an die 10 Gebote - sie interpretieren die 10 Gebote ganz selbstverständlich neu und selektiv, ohne sich Rechenschaft darüber abzulegen, dass sie damit die Gebote verändern.
Gleichzeitig behaupten sie, dass das Wort Gottes, und damit auch die Gebote, vollkommen und ewig gültig sind.
Das geht aber nicht gleichzeitig. Entweder die Gebote gelten ganz, so wie sie dastehen, oder sie sind eben nicht ewig gültig.


B) Liebe deinen Nächsten wie dich selbst


Das ist eine zentrale Aufforderung, im Westen auch als Kants kategorischer Imperativ bekannt.
Aber Jesus war nicht der Erste. Von fast allen Religionen sind ältere Überlieferungen bekannt.
https://de.wikipedia.org/wiki/Goldene_Regel


C) Menschenwürde

Man findet die Wurzeln dieses Konzeptes unter anderem schon im Judentum/Christentum mit der Gottesebenbildlichkeit der Menschen.
Aber konkret ausformuliert wurde das erst in der Aufklärung - weil die Aufklärer sich getraut haben, den Rahmen der christlichen Theologie zu verlassen und weiter zu denken.
Viel ausführlicher hier beschrieben:
https://de.wikipedia.org/wiki/Menschenw%C3%BCrde


D) Sklaverei

Im NT ist Sklaverei völlig akzeptiert, Sklaven werden ermahnt, auch schlechten Herren untertan zu sein.

Nur mit der Bibel in der Hand ist man also nicht in der Lage, eine allgemeingültige Morallehre zu entwickeln.

Ich halte es also für keine gute Idee, für moralische Fragen aller Art die Bibel als Autorität zu betrachten, schon gar nicht als göttliche Autorität.
Man kann die Bibel gerne als Anschauungsmaterial, Inspiration, etc. benutzen.
Das ist bei der Sklaverei ja dann auch passiert:
Durch die Aufklärung haben sich auch Christen etwas genauer mit ihrer Morallehre beschäftigt.
Sie haben die Menschenwürde als übergeordnetes, durchaus auch biblisch begründetes Konzept etabliert, obwohl das Konzept so direkt in der Bibel nicht drinsteht.
Dieses übergeordnete Konzept hat höhere Autorität als die Bibelstellen mit der Sklaverei.

Als Autorität taugt die Bibel also nicht, weil man aus ihr keine konsistente Morallehre ableiten kann.
Natürlich kann man sich lauter Bibelstellen raussuchen, die die eigene (moralische) Position unterstützen.
Jemand anders pickt sich dann andere Bibelstellen raus, und interpretiert die in seinem Sinne.



Natürlich sind unsere Werte immer eine Mischung aus genetisch vererbten Verhaltensmustern, und gesellschaftlich geformten Normen.
Und ja, wir Menschen müssen uns irgendwie einig werden, wie wir zusammenleben wollen.
Die Details müssen auch immer wieder neu ausgehandelt werden, weil sich die Gesellschaft weiterentwickelt.

Kommentare

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  2. Paulus weist auf diese universelle Moral in Römer 2,14-15 hin, indem er auf die Heiden hinweist, die das jüdische Gesetz nicht haben, aber doch wissen, was Gut und Böse ist. "Es ist in ihr Herz geschrieben." Bei Tieren ist das nur sehr begrenzt vorhanden, eher instinktiv und in keinem Vergleich zum Menschen.
    Der Mensch ist da einzigartig geschaffen, er kann über sich selbst reflektieren, er hat die Fähigkeit, über Gott und was Sinn macht zu relfektieren, ist dazu in der Lage, einen Schöpfer anzubeten usw.
    Francis Collins war als Wissenschaftler der Gene ursprünglich Atheist, ist aber durch das Argument der universellen Moral zur Überzeugung an einen Gott gekommen.
    Hier ist seine Geschichte:
    https://www.youtube.com/watch?v=BoT9dO13CRU&t=328s

    Er schrieb ein Buch, das ich demnächst lesen werde, "The Language of God". Er spricht sonst auch über verschiedene Dinge, die in diesem Blogg vorkommen, unter anderem ob Gott mit Wunder eingreift usw. Unter diesem Link:
    https://www.youtube.com/watch?v=RK-a--OmdYY

    Hugh Ross ist auch ein interessanter Mann. Er ist Astrophysiker, und wurde auch erst später Christ durch die Erforschung des Universums. Beide, Francis und Hugh, glauben an eine alte Erde, allerdings weisen sie klar auf einen Schöpfer hin. Die interessante Webpage von Hugh Ross ist, Reasons to Believe:
    https://reasons.org/explore
    Sehr empfehlenswert!

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    1. Hallo Torsten,

      ich will jetzt nicht im Detail auf deinen Kommentar eingehen, denn manche deiner Aussagen bedürften evtl. einer ausführlicheren Begründung.
      z.B.
      >>Bei Tieren ist das (die universelle Moral) nur sehr begrenzt vorhanden, eher instinktiv und in keinem Vergleich zum Menschen.<<
      Deine Aussage sagt geradezu, dass der Mensch KEINE ins Herz geschriebene, d.h. instinktive Moral hat.

      Vielleicht kannst du diesen Widerspruch näher erläutern? Eventuell, indem du den Stand der Diskussion im Ursprungs-Post aufgreifst, und ggfs. widerlegst?
      Im Ursprungs-Post habe ich ja ausführlich differenziert.

      Mein Kommentar zu Francis Collins Vortrag:
      https://erkenntnisgewinne.blogspot.com/2020/03/francis-collins-pointers-to-god.html

      Auf der Webseite von Hugh Ross habe ich jetzt auf die Schnelle keinen Beitrag zum Thema Moral gefunden.

      Kannst du die Argumente von Ross zum Thema Moral vielleicht kurz zusammenfassen, wenn du Zeit und Lust hast?

      LG
      Thomas

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  3. Wie werden die Links Blau? Bei mir funktioniert das nicht.

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    1. Das habe ich in den Kommentaren bisher noch nicht ausprobiert.
      Hier ein Versuch:
      mein Testlink zu youtube

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    2. Man muss den Link als html formatieren:
      +a href="https://www.youtube.com/"*
      testlink
      +/a*

      + ersetzen durch <
      * ersetzen durch >

      (der code-tag ist leider in Kommentaren nicht erlaubt)

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  4. Hallo Thomas, zum Verständnis: mit den Tieren meinte ich nicht, dass sie diese universale Moral besitzen, sondern dass sie durch ihren Instinkt handeln, aber nicht moralisch, wobei man bei Haustieren, die man dressiert beobachten kann, dass sie sich für ein bestimmtes Handeln entscheiden. Dies ist aber sehr limiterit und begrenzt beobachtbar. Sie entscheiden nicht, was richtig und was falsch ist, können es auf jeden Fall, so denke ich, nicht reflektieren.
    Die ersten Links in deinem Post weisen sehr stark auf dieses "in ihr Herz geschrieben" hin. Deshalb ist der Hinweis von mir wichtig, dass der Unterschied zwischen Mensch und Tier ein himmelweiter ist. Und zwar die komplette menschliche Rasse, egal aus welchem Land. Wenn es eine Höherentwicklung geben würde, dann müssten beispielsweise die Naturvölker weniger Inteligenz besitzen, weil man davon ausgehen könnte, dass sie nicht ganz so hochentwickelt wären. Das würde die Rassenlehre von Hitler unterstützen. Leute in PNG z.B. sind limitiert durch Bildungsmangel. Wenn aber jemand aus PNG hier im Westen aufwachsen würde, wäre er/sie zur gleichen Allgemeinbildung fähig. Die Kapazität ist dieselbe. Diese angeborene Moral deutet sehr stark auf Gott hin. Aber es ist klar, wenn man Gott nicht ins Spiel bringt, dann kann man andere Erklärungen suchen und vielleicht auch finden.
    Der Naturalismus bräuchte von seiner Philosophie her keine Moral. Strenggenommen sollte man dann Behinderte etc. wegschaffen, auch wieder ala Hitler, damit die Überlebenden bessere Bedingungen haben zum Leben. Wo führt das letztenendes hin? Damit meine ich nicht, dass Atheisten nicht moralisch handeln würden, das Handeln ist aber nicht konsequent zur Philosophy, denke ich. Damit meine ich aber wiederum nicht, dass religiöse Menschen immer besser gehandelt haben. Ich denke aber schon, dass aus der Lehre von Jesus ersichtlich ist was ein vorzügliches Leben ist. Und viele (echte) Christen haben das auch ausgelebt. Siehe dazu:
    https://www.amazon.de/Wie-das-Christentum-Welt-ver%C3%A4nderte/dp/3935197586
    LG, Torsten

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  5. Teil 1

    Hallo Torsten,

    im Moment haben wir wegen Corona ja alle viel Zeit...

    Die ersten Links in deinem Post weisen sehr stark auf dieses "in ihr Herz geschrieben" hin. Deshalb ist der Hinweis von mir wichtig, dass der Unterschied zwischen Mensch und Tier ein himmelweiter ist.

    Mit "himmelweit" meinst du vermutlich, dass der Unterschied so groß ist, dass tierische Verhaltensweisen und menschliche Verhaltensweisen auf keinen Fall den selben Ursprung haben können?

    Ich denke schon, dass der Ursprung der selbe ist. Menschen sind eben sowohl instinktgesteuert als auch rational gesteuert.

    Beim Menschen kam eben die kognitive Revolution hinzu, die vor ca. 70 000 Jahren begann, und vor ca. 30 000 Jahren endete.

    Wenn es eine Höherentwicklung geben würde, dann müssten beispielsweise die Naturvölker weniger Inteligenz besitzen,

    Die Höherentwicklung gab es. Allerdings sind die weniger intelligenten Menschenrassen inzwischen alle ausgestorben.
    Neanderthaler, Solo-Mensch, Flores-Mensch, Homo erectus, Densiova-Mensch, Rudolfsee-Mensch, Homo ergaster, um einige zu nennen.
    Als einziger ist Homo sapiens übrig geblieben. Homo sapiens Rassen unterscheiden sich in der Tat nicht in ihrer Intelligenz, sondern vor allem in ihrer Anpassung an ihren jeweiligen Lebensraum (Sonneneinstrahlung -> Hautfarbe, Viehzüchter -> Laktoseverträglichkeit, Kalte Klimazone -> gedrungener Körperbau, Staubwüsten ->Schlitzaugen etc.)

    Diese angeborene Moral deutet sehr stark auf Gott hin. Aber es ist klar, wenn man Gott nicht ins Spiel bringt, dann kann man andere Erklärungen suchen und vielleicht auch finden.

    Die Frage ist, ob diese "anderen Erklärungen" besser oder schlechter sind, als die Erklärung, dass Gott den Menschen direkt, ohne Evolution, erschaffen hat, und ihm eine Moral in die Gene geschrieben hat.
    Die Hinweise, dass alle Lebewesen und auch der Mensch sich durch Evolution entwickelt haben, sind, denke ich, überwältigend.
    Das ist ja auch der Standpunkt des Christen Kenneth R. Miller "Finding Darwins God" (Buchempfehlung B. Spycher), und auch von Francis Collins, vom dem du das Video "Pointers to God" verlinkt hast.

    Wie siehst du das? Ist deiner Ansicht nach der Mensch direkt von Gott geschaffen worden?

    Wenn also unsere Gene durch Evolution geformt wurden, dann besteht der Unterschied zwischen uns und unseren nächsten Verwandten, den Schimpansen, darin, dass die Evolution bei uns zur kognitiven Revolution führte, und bei den Schimpansen nicht.

    Daher ist die Moral der Schimpansen eher instinktgesteuert und sehr wenig erlernt, und die Moral der Menschen zusätzlich sehr von erlernten Verhaltensweisen und Moralsystemen (z.B. dem christlichen Moralsystem) geprägt.

    Der Naturalismus bräuchte von seiner Philosophie her keine Moral. Strenggenommen sollte man dann Behinderte etc. wegschaffen, auch wieder ala Hitler, damit die Überlebenden bessere Bedingungen haben zum Leben. Wo führt das letztenendes hin? Damit meine ich nicht, dass Atheisten nicht moralisch handeln würden, das Handeln ist aber nicht konsequent zur Philosophy, denke ich.

    Okay, lass uns nochmal kurz über Begriffe reden.

    Mit "Naturalismus" meinst du die Weltsicht "Alles besteht aus Natur"?

    Aus dieser Weltsicht ergibt sich aber nicht direkt ein Moralsystem.
    Naturalisten haben da durchaus unterschiedliche Positionen.

    - Sozialdarwinisten (in abgeschwächter Form als Neokapitalisten)
    - Humanisten
    - Marxisten

    Was du beschreibst, ist Sozialdarwinismus:
    Wer nichts mehr Produktives zur Gemeinschaft beiträgt, ist wertlos.
    Diese Haltung muss aber keineswegs zwingend als einzige aus dem Naturalismus hervorgehen.

    Die natürlichen Voraussetzungen des Humanismus gehen ungefähr so:

    Lebewesen entwickeln sich zu immer höheren Stufen.
    Einzeller - Mehrzeller - Mehrzeller mit Nervensystem - Tiere mit Sozialverhalten - Tiere mit Intelligenz.

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  6. Teil 2

    Jede Stufe dieser Entwicklung bringt auch neue Phänome hervor, die in der vorigen Stufe noch nicht möglich waren.

    Sozialverhalten kann sich erst entwickeln, wenn die Lebewesen ausreichend untereinander kommunizieren können.

    Teamarbeit kann sich erst entwickeln, wenn die Lebewesen intelligent genug sind, sich zu koordinieren.

    Moralsysteme können sich erst entwickeln, wenn die Lebewesen lernfähig genug sind, ihre angeborenen Verhaltensweisen anzupassen.

    Moralsysteme sind im Grunde genommen Verhaltensregeln, die so mächtig sind, dass sich große Gruppen von Menschen daran halten, selbst wenn sie sich nicht alle untereinander kennen. Das ist ein sehr spannendes Thema - wieso halten sich die Menschen daran?
    Kurze Antwort: Weil es enorme Vorteile bringt.
    Yuval Noah Harari erläutert das in seinem Buch "Eine kurze Geschichte der Menschheit"

    Homo sapiens ist ein Tier mit ausgeprägtem Sozialverhalten und Intelligenz. Er ist auch deswegen so erfolgreich, weil die Mitglieder der Gruppe untereinander solidarisch sind. Jedem geht es mal schlecht, und er braucht Hilfe.

    Wir Menschen waren in den letzten 100 000 Jahren unglaublich erfolgreich darin, unsere Lebensweise zu verbessern. Das stimmt optimistisch für die Zukunft.

    Ein besseres Leben bedeutet, dass alle menschlichen Bedürfnisse (Nahrung, Sicherheit, Nähe, Entfaltung - Bedürfnispyramide) gestillt werden.

    Die Frage ist also, wie stillen wir diese Bedürfnisse, und zwar für möglichst alle möglichst gut?

    Ab hier geht der Humanismus los.
    https://de.wikipedia.org/wiki/Humanismus
    Ich würde mich eher als Humanisten bezeichnen.
    Man kann durchaus gleichzeitig Christ und Humanist sein. z.B. Herder
    https://de.wikipedia.org/wiki/Johann_Gottfried_Herder

    Zur darwinistischen Regel "survival of the fittest"

    Ich denke, diese Regel gilt weiterhin.

    Wenn Lebewesen nicht in Gruppen organisiert sind, dann ist es das Überleben des erfolgreicheren Individuums.

    Es zeigt sich, dass Individuen in Gruppen erfolgreicher sein können. Nun geht es um das Überleben der erfolgreicheren Gruppe. (siehe auch Francis Collins Vortrag, 9:17 min.)

    Das selbe gilt auch für Gesellschaften und Weltbilder.
    Wir befinden uns im Moment in einem Wettstreit von Gesellschaftsmodellen und Weltbildern. Und wir sind in der einzigartigen Lage, zu einem gewissen Grad selber definieren zu können, was "erfolgreich" bedeutet.

    Der Sozialdarwinismus ist an der Stelle "Überleben des erfolgreicheren Individuums" stehengeblieben, und unterschätzt m. E. die Fähigkeiten der Gruppe.
    Ich denke, auf lange Sicht wird der Sozialdarwinismus nicht überleben, weil er die Bedürfnisse der Menschen nicht ausreichend befriedigt.

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  7. Teil 3

    Zur christlich-apologetischen These, dass aus reiner Materie kein Geist und daher auch keine Moral entstehen kann:

    So direkt in einem Riesen-Sprung geht das natürlich nicht.

    Wir beobachten aber, dass mit jeder Organisations-Stufe die Systeme neue Eigenschaften bekommen. Siehe https://erkenntnisgewinne.blogspot.com/2020/03/emergenz-und-selbstorganisation.html

    Die reine Materie ist also die Grundlage für die Chemie, diese die Grundlage für die Biologie, diese für Sozialverhalten, diese für Intelligenz, diese für Moral.
    d.h. der Mensch baut sich aufsteigend aus Atomen, Molekülen, Zellen, Nervensystemen, Sozialverhalten, Intelligenz und Moral auf.

    Erklärt die Hypothese, dass es eine vom Menschen unabhängige, aber ihm eingepflanzte universelle Moral gibt, unsere Beobachtungen besser?

    Aus meiner Sicht gibt es mit dieser Hypothese einige Probleme. Sie erklärt nicht,

    - warum die menschlichen Moralsysteme so voneinander abweichen, und als Folge,
    - warum manche Menschen bei bestimmten Taten ein schlechtes Gewissen haben, andere bei der selben Tat gar nicht.

    - warum die Moral sich im Laufe der Jahrtausende stark wandelt

    - warum der Mensch auch instinktgesteuert ist

    - warum auch Tiere soziale Regeln erlernen können.


    Damit meine ich aber wiederum nicht, dass religiöse Menschen immer besser gehandelt haben. Ich denke aber schon, dass aus der Lehre von Jesus ersichtlich ist was ein vorzügliches Leben ist. Und viele (echte) Christen haben das auch ausgelebt.

    Ja, das sehe ich auch so.
    Das ist auch bei mir so: Die christliche Ethik hat mich sehr stark geprägt.

    Im Grunde genommen plädiere ich in meinem Blog nicht für eine Abschaffung des Christentums. Ich plädiere aber für eine reflektierte, aufgeklärte Form des Christentums. Ich denke, das Christentum könnte dadurch viel mehr gewinnen als verlieren.

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