Kommentar zu einem Vortrag des christlichen Apologeten Paul Copan

Länge des Vortrags: 30 Minuten

Topic: How Atheists Help Make the Case for God

Description

Naturalism—whose three fundamental tenets are materialism, determinism, and scientism—tends to be the default worldview in the academy. Yet when it comes to accounting for key features of the universe and human experience itself (the universe’s beginning and fine-tuning, consciousness, rationality, moral responsibility, etc.), it simply lacks the kind of resources that theism has in much greater measure. Furthermore, this inadequacy is reinforced by leading naturalists themselves, who actually contribute weighty reasons for God’s existence.

Ich schreibe, während ich den Vortrag höre:



PROBLEM #1: INCOHERENCE

• Materialism: How can one show that matter/nature is all that exists?

Was man sagen kann: Mit den uns zur Verfügung stehenden Methoden finden wir einfach nichts anderes als Materie/Natur. Ich schließe hier zusätzliche Dimensionen als Teil der Natur ein.
Vielleicht gibt es mehr, vielleicht auch nicht - auch die Naturalisten behaupten nicht, dass wir schon alles wissen.
Die Naturalisten beobachten, dass es für Götter keine Hinweise gibt.
Vielleicht gibt es Götter. Wenn ja, dann halten sie sich wirklich sehr gut versteckt.
Insofern baut Paul Copan hier ein Strohmann-Argument* auf:
Er legt den Naturalisten eine Behauptung in den Mund ("Es gibt NUR Natur"), die sie so absolut nicht gemacht haben.
Dann fordert er Belege für die nie getätigte Behauptung.
Die Beobachtung der Naturalisten lautet: "Wir finden nichts anderes als Natur".
Das ist ein kleiner, aber bedeutender Unterschied.

• Determinism: Isn’t the naturalist’s conclusion (edit: that everything is pre-determinded) something she couldn’t help believing?  

Paul Copan sagt hier: Wenn alles vorherbestimmt ist, ist dann nicht auch jeder Gedanke des Naturalisten vorherbestimmt, also keine freie Erkenntnis?
Aus meiner Sicht überstrapaziert Paul Copan hier das Konzept des Determinismus.
Ich verstehe Determinismus so: Die natürlichen Prozesse sind durch die Naturgesetze bestimmt, also determiniert.
In einem komplexen Universum und in einer komplexen Biosphäre gibt es aber auch viele chaotische Prozesse, deren Ausgang durch den Zufall bestimmt ist, also indeterminiert. (Würfeln, Wetter, der berühmte Schmetterlingsschlag etc.)
Was Lebewesen betrifft: Wenn man auf die Erhaltung des Lebens schaut, dann sind Lebewesen in einem Sinne deterministisch vorherbestimmt:
Entweder sie schaffen es, sich innerhalb ihrer Lebensspanne fortzupflanzen, oder das Leben stirbt aus.
WIE sie aber leben und es schaffen, sich fortzupflanzen - da gibt es so viele Möglichkeiten, wie der Denk- und Handlungspielraum des Lebewesens es zulässt.
Der Denk- und Handlungsspielraum eines Menschen ist z.B. größer als der eines Bakteriums.
Determinismus heißt also keinesfalls, dass sämtliche Gedanken und Handlungen sämtlicher Lebewesen vorherbestimmt sind.

• Scientism: How do you scientifically prove that all knowledge must be scientifically provable?

Wieder so ein Strohmann-Argument:
Niemand behauptet, dass alles Wissen naturwissenschaftlich bewiesen sein muss.
Speziell in der Geschichtswissenschaft geht das gar nicht - haben wir ja schon darüber geredet.

Was man sagen kann:
Jede Behauptung sollte auf guten Argumenten und Beobachtungen beruhen.
Wenn nicht, dann ist es kein Wissen, sondern Spekulation.
Das ist die grundlegende Aufgabe der Wissenschaft: die Beobachtungen zu mehren und besser zu sichern.

PROBLEM #2: COUNTER-INTUITIVENESS:

“NOTHING MORE THAN”: Strict naturalism (“scientific image”): humans are nothing more than valueless, deterministically-driven molecules in motion.  
“MUCH MORE THAN”: Broad naturalism (“manifest image”): humans are much more than molecules in motion: we are self-conscious, valuable, morally responsible, duty-bound, purpose-seeking. (But according to strict naturalists, these features are “illusory” and not “scientific.”)

Sein Argument ist, dass die offensichtlich vorhandenen Eigenschaften des Menschen (Bewusstsein, Wertvoll, Moral, Sinn) von den Naturalisten als Illusion bezeichnet werden, und Menschen schlussendlich ohne Wert sind.
In einem gewissen Sinne stimmt das:
Ein unbekannter armer Bauer, der vor vielen Jahrtausenden gelebt hat, ist längst zu Staub verfallen und in Vergessenheit geraten. Er lebt nur durch seine Gene weiter.
Der Wert und die Eigenschaften eines Menschen bestehen während seiner Lebenszeit, und sie gewinnen durch die Interaktion mit anderen Menschen an Bedeutung.
Ich kannte den Begriff "Broad Naturalism" noch nicht, ich würde mich aber als solchen bezeichnen.
Ich kann problemlos akzeptieren, dass ich nur aus Molekülen bestehe, aber trotzdem einen Wert und wertvolle Eigenschaften habe.
Vielleicht besteht Paul Copan auf einem "absoluten" Wert des Menschen, unabhängig von den Mitmenschen.
Diesen "absoluten" Wert des Menschen gibt es meines Erachtens tatsächlich nicht.

SELF-EVIDENCE PROBLEM: WHY DENY WHAT SEEMS SO OBVIOUS TO US (edit: that Humans are valuable)? The burden of proof would be on the denier of the obvious.

Schon wieder ein Strohmann Argument:
Dass wir Menschen wertvolle Eigenschaften haben, bestreitet doch niemand.
Es stimmt, dass viele unserer Handlungen instinktgesteuert sind.
Er zählt in einem Zitat von John Searle Einige auf: Hunger/Essen, Fortpflanzung, Schmerz, Emotionen.
Er bezeichnet diese Handlungen als "physical" also wohl körperlich. Und, wo ist das Problem?
Wir Menschen sind sowohl instinkt- ALS AUCH rational gesteuert.
Paul Copan baut hier einen nicht vorhandenen Gegensatz auf.

Okay, ab hier (Minute 12:20) gehe ich nicht mehr auf jedes Argument ein, weil es mir zu langwierig wird.

16:26 fine-tuning of the universe:

Hier begeht Copan einen klassischen Fehlschluss.
Er sagt:
Weil das Universum und das darin vorhandene Kohlenstoff- und Wasser-bassierte Leben so perfekt zusammenpassen, muss das Universum extra für dieses Leben geschaffen worden sein.
Es war aber andersherum: Erst war das Universum da, und das Leben hat sich erst viele Milliarden Jahre später entwickelt, unter den vorhandenen Bedingungen.
In einem anderen Universum mit anderen Naturkonstanten würde das Leben anders funktionieren - oder auch gar nicht. Nicht jedes denkbare Universum ist lebensfreundlich.
Das Leben hat sich also an unser Universum fein-abgestimmt, nicht andersrum.
Er bringt dann Zitate von Wissenschaftlern, die bestätigen, dass bei der geringsten Abweichung der Naturkonstanten unsere Biochemie nicht mehr funktionieren würde.
Das ist natürlich richtig. Aber kein Beweis für die Existenz eines persönlichen Christengottes.
Ich picke hier 1 Zitat raus (Min 28:40)
Stephen Hawking:
Most of the fundamental constants in our theories appear fine-tuned in the sense that if they were altered by only modest amounts, the universe would be qualitatively different, and in most cases unsuited for the develeopment of life.
Paul Copan zieht aus dieser Erkenntnis die Schlussfolgerung, dass es einen Schöpfergott gegeben haben muss.
Stephen Hawking zieht daraus, und aus anderen Erkenntnissen, aber einen ganz anderen Schluß:
Es gibt vielleicht noch viele andere Universen mit anderen Lebensformen, und auch Universen ohne Leben.
https://www.bbc.com/news/science-environment-43976977
Paul Cogan reißt hier ein Zitat von Stephen Hawking aus einem komplexen Thema, ohne sich erkennbar mit diesem Thema auseinanderzusetzen.
Das ist, ehrlich gesagt, intellektuell unredlich.

Man kann doch nicht Stephen Hawking mit Hilfe von aus dem Zusammenhang gerissenen Zitaten als Kronzeuge für den Theismus heranziehen, in dem vollen Bewusstein, dass Stephen Hawking explizit kein Theist ist, sondern bestenfalls ein Agnostiker.
Hier ein guter Artikel dazu:
https://time.com/5199149/stephen-hawking-death-god-atheist/
Es ist natürlich trotzdem denkbar, dass ein Schöpfergott unser Universum extra so konstruiert hat.
Aber seitdem hält er sich offensichtlich mit Eingriffen zurück - vielleicht wie ein Wissenschaftler, der sein Experiment nicht ruinieren will.

20:55:
Woher kommen Bewusstsein, Freier Wille, Persönlichkeit, Rationalität, Verantwortung, Wert des Menschen

Paul Copan sagt: Nur weil es einen Gott gibt, der diese Eigenschaften verkörpert.
Ich sage: Weil sie sich durch die Evolution entwickelt haben, und zwar schon vor dem Menschen.
Auch Schimpansen haben Bewusstein, freien Willen, Persönlichkeit, Rationalität, Verantwortung, und einen Wert.
Das sind alles Merkmale von hochentwickelten sozialen Wesen.

Zu den vielen anderen Zitaten:
Ist dir aufgefallen, dass viele dieser Zitate Fragen oder Formulierungen eines Problems sind?
Die Antworten auf diese Problemstellungen, die die Autoren in ihren Büchern geben, erwähnt Paul Cogan leider nicht.
Schade - ich hätte mir hier eine ernsthafte Auseinandersetzung erhofft. Man kann fast sagen, Paul Cogan dreht hier den Autoren die Worte im Mund herum, weil er die Haupt-Botschaft der Autoren einfach ignoriert - wie am Beispiel von Stephen Hawkings Zitat gezeigt.

Immerhin zeigen die Zitate schön die Bandbreite der philosophischen Diskussion.
Auch in diesem Punkt gebe ich Paul Copan recht:
Ohne die Vorstellung eines persönlichen Gottes wird das Universum zu einem ungemütlicheren Ort.



*Strohmann-Argument:
Der Redner baut eine Gegenposition (einen Strohmann) auf, welche in Wirklichkeit gar nicht existiert (Der Strohmann ist gar kein echter Mann)
Der Strohmann ist natürlich leicht zu besiegen.
Die echte Gegenposition kommt gar nicht zur Sprache.

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