Auferstehung Jesu - weitere Argumente

In meinem ersten Post über die Auferstehung habe ich dargelegt, wie der Glaube der Jünger an die Auferstehung entstanden sein könnte.

Jetzt will ich einige Argumente für die leibliche Auferstehung beleuchten, wie man sie unter anderem in Lee Strobels Buch "Der Fall Jesus" finden kann.

Die Auferstehung muss stattgefunden haben, weil das Grab leer war

Hier will ich mal der Argumentation der Jünger und im Besonderen Petrus folgen.
Nicht mal die Jünger sahen dies als hinreichendes Argument an.

Lukas 24, 10
Es waren aber Maria Magdalena und Johanna und Maria, des Jakobus Mutter, und die andern Frauen mit ihnen; die sagten das (das leere Grab und und die Erscheinung der Engel) den Aposteln. Und es erschienen ihnen diese Worte, als wär's Geschwätz, und sie glaubten ihnen nicht. Petrus aber stand auf und lief zum Grab und bückte sich hinein und sah nur die Leinentücher und ging davon und wunderte sich über das, was geschehen war.

Es gibt viele Möglichkeiten, wieso das Grab leer sein könnte. Die leibliche Auferstehung ist nur eine davon.
Einige Beispiele: Die Wache hat gepennt, die Wache war bestechlich (siehe Abschnitt weiter unten), es war eine Verwechslung.
Wenn die Jünger den Leichnam nicht entwendet haben, dann vielleicht jemand anders. Grabschändung gab es schon immer.
Man könnte jetzt darüber diskutieren, wie wahrscheinlich diese Möglichkeiten sind. Apologeten würden sagen, dass die Jünger auf keinen Fall den Leichnam geklaut haben. Da stimme ich im Grunde zu, obwohl ich bei "auf keinen Fall" vorsichtig wäre.
Es muss ja nicht einer der zwölf Jünger gewesen sein. Es gibt ja noch viele andere potentielle Grabräuber.

Es ist nicht mal sicher, ob Jesus überhaupt im Grab lag, denn gekreuzigte Verbrecher wurden üblicherweise nicht begraben.
Besonders Pontius Pilatus war nicht bekannt dafür, besonders rücksichtsvoll zu sein. Hat er wirklich für Jesus eine Ausnahme gemacht?

Ich kann auch nicht sagen, wie genau die Geschichte dieses leeren Grabes zustandekam. Es war ja niemand dabei, die Frauen nicht, und auch die Jünger nicht (zumindest nach dem, was wir wissen können). Und die Wachen sind auch nicht gerade vertrauenswürdige Zeugen. Dieser Teil bleibt also für immer im Bereich der Vermutungen.

Die christliche Überlieferung des leeren Grabs und der "körperlichen" Auferstehung hat sich erst mit der Zeit entwickelt.
Paulus hat vom leeren Grab noch nichts gewusst.
Im ersten Evangelium, dem Markus-Evangelium, taucht das leere Grab zum ersten Mal auf, und damit endet das Markus-Evangelium. Die Verse 9 - 20 mit der Erscheinung Jesu sind in den ältesten Manuskripten nicht enthalten.
Im Lukas- und Matthäus-Evangelium kommt dann die "körperliche" Auferstehung zum ersten Mal dazu (Jesus kann berührt werden, und kann essen)
Im letzten Evangelium (Johannes) kommen dann noch die Wunden Jesu dazu.

Die Aussage der Frauen ist echt, denn wer würde Frauen als Zeugen erfinden?

Ein jüdischer Mann würde Frauen eher nicht als Zeugen erfinden, oder diese Überlieferung erhalten, das ist Konsens.
Die Frauen standen Jesus sehr nahe. Man kann sich gut vorstellen, dass sie das Grab oder die Ruhestätte Jesu besucht haben. Die Leichenpflege war traditionell Aufgabe der Frauen.
Die Frauen hatten ja auch die Nachtod-Visionen von Jesus, insofern waren sie von der Auferstehung Jesu von Anfang an überzeugt.
Frauen haben in der frühen Christenheit eine große Rolle gespielt. Sie waren Diakone, Gottesdienstleiter, Missionare und Apostel ( Römer 16,7)
Insofern kann man sich gut vorstellen, dass diese Überlieferung (die ja einen wahren Kern hat) vor allem von den Frauen gepflegt wurde, bis sie schließlich Eingang in die Evangelien fand.


Die Erscheinung vor 500 Jüngern kann keine Halluzination gewesen sein.

Stimmt.
Üblicherweise wird mit dem Wort "Halluzination" eine Vision beschrieben, die durch Drogen, Erschöpfung oder psychische Krankheiten ausgelöst wird.
Das ist bei 500 Leuten gleichzeitig eher unwahrscheinlich, denn selbst wenn die alle high waren, dann hätten sie trotzdem unterschiedliche Visionen gehabt.
Und eine Hinterbliebenen-Trauer-Vision ist auch unwahrscheinlich, denn die treten eher einzeln oder innerhalb von Familiengruppen auf.

Aber was ist mit den Massen-Marienerscheinungen, von denen es sogar Zeitungsberichte und Bilder gibt? 
Mehr dazu:

Wenn Massen-Erscheinungen auch in unserer Zeit möglich sind, dann waren sie für Leute mit einem antiken Weltbild erst recht möglich.


Jakobus hatte keinen Grund, plötzlich an die Auferstehung Jesu zu glauben.

Jakobus war der Bruder Jesu, und vom Verlust seines Bruders vermutlich tief getroffen. Er hatte sogar eine (Nachtod)-Vision von seinem Bruder (1. Kor 15, 7)
Wenn ich Jakobus gewesen wäre, dann hätte ich auch die Nähe von Jesu Jüngern gesucht - schon allein um Unterstützung und Trost zu erfahren.
Es wäre nicht das erste Mal, dass jemand in die Fußstapfen seines verstorbenen Bruders steigt. (J.F. Kennedy, Lech Kaczyński ... ) - schon allein, um das Andenken an seinen Bruder hochzuhalten.
Jakobus wurde dann ja auch in den Kreis der Apostel aufgenommen, und hat später die Leitung der Jerusalemer Gemeinde übernommen.
Insofern erscheint mir die Geschichte von Jakobus nicht als besonders übernatürlich.
Als Gegenargument wird angeführt, dass Jakobus vor Jesu Tod ein Skeptiker war. Das kann man allerdings nur indirekt schließen, denn bei diesen Passagen ist nur von "den Verwandten" die Rede (Markus 3) oder von "seinen Brüdern". (Johannes 7). Was Jakobus persönlich dachte, weiß man nicht. Selbst wenn Jakobus skeptisch war - was spricht dagegen, dass er sich von seiner Vision überzeugen ließ? Damit eine Vision ihre Wirkung entfaltet, muss sie nicht faktisch sein. Sie muss nur geglaubt werden.


Das Christentum ist anders als andere Kulte oder Sekten, deswegen kann nur die Auferstehung die richtige Erklärung sein


- Das Christentum ist schneller gewachsen als andere Religionen - stimmt nicht. Der Islam ist in seiner Anfangszeit schneller gewachsen als das Christentum.
- Es gibt keinen Opferkult im Christentum - kommt drauf an, was man mit Opferkult meint. In jedem Gottesdienst wird ein Opfer eingesammelt. Die Kirche verlangt ihren Anteil (den Zehnten) an Getreide, Tieren, und Geld. Es gibt kein Fleischopfer auf dem Brandaltar mehr - aber das trifft auch für andere Religionen zu.
- Es gibt keinen Bilderkult im Christentum - das sehen die orthodoxen Ikonenmaler und die katholischen Kirchenmaler aber anders :-) Die Orthodoxen sind aus evangelikaler Sicht keine vollwertigen Christen, aber die Orthodoxie kann ihre Wurzeln bis zur Spaltung des römischen Reiches in ein Westreich und ein Ostreich zurückverfolgen. https://de.wikipedia.org/wiki/Morgenländisches_Schisma
- Es gibt kein Orakel - das sind bei den Christen die Gaben des heiligen Geistes - die Gabe der Prophetie und die Gabe der Auslegung.
- Es gibt keine Priesterhttps://de.wikipedia.org/wiki/Priester_(Christentum) Die heißen bei den reformierten Kirchen Gemeindeleiter, Pfarrer, Pastoren.

Nachtod-Visionen

Ich habe mal nachgeschaut, was Lee Strobel zu Visionen zu sagen hat.
Leider sehr wenig. Er schreibt 2 Seiten über Halluzinationen (Ausgabe 2018, S. 355 - 356). Nachtod-Visionen erwähnt er gar nicht (oder ich habe es übersehen?). Sind sie ihm unbekannt? Will er diesen Pfad lieber nicht beschreiten?
Ich habe eine Vermutung: Lee Strobel interviewt die Autoren der evangelikalen Standardwerke, daher gibt er im Großen und Ganzen die evangelikalen apologetischen Positionen der letzten Jahrzehnte wieder. In der evangelikalen Literatur werden Nachtodvisionen großteils ignoriert. Und da Lee Strobel darauf verzichtet, Experten aus anderen Fachgebieten zu interviewen, bleibt seine investigative Suche nach der Wahrheit sehr grobmaschig, und daher lückenhaft.

Joseph W. Bergeron, M.D. and Gary R. Habermas, Ph.D setzen sich etwas ausführlicher mit Nachtod-Visionen auseinander.

Hier ihre Argumente, warum Nachtod-Visionen nicht auf die Jünger zutreffen können:
 
(The bereaved) made no particular changes in their lifestyles because of their bereavement experiences nor did they publicly proclaim them. 

Die meisten Verstorbenen sind nun mal keine Wanderprediger, die öffentlich zu Buße und Umkehr aufrufen. Insofern ist es nicht überraschend, dass die Hinterbliebenen in der Vision des Angehörigen "nur" Trost gefunden haben.
Wenn der Verstorbene aber zu Lebzeiten dazu aufgerufen hat, sein Leben zu ändern, dann kann das schon eine Motivation sein. Menschen haben wegen geringerer Anlässe ihr Leben geändert:


Another matter concerns the first century Hebrew culture, where many Jews had a concept of resurrection at the end of time, but it was unheard of to imagine a near-term resurrection from death to physical life.

Allein im Neuen Testament gibt es 3 Beispiele, wo Tote innerhalb von wenigen Tagen oder Stunden wieder aufgeweckt wurden:
Tochter des Jairus Markus 5, Jüngling zu Nain Lukas 7, Lazarus Joh. 11
Im Alten Testament berichten folgende Texte von Totenerweckungen:
1 Kön 17,17-24: der Sohn der Witwe von Sarepta durch Elias,
2 Kön 4,18-37: der Sohn der Sunnamitin durch Elisäus,
2 Kön 13,20: der Mann, der mit den Gebeinen des Elisäus in Berührung kam. 
Die Juden waren durchaus mit mit dem Konzept der Totenauferweckung vertraut.
Die Behauptung von Bergeron und Habermas stimmt aus meiner Sicht nicht mit dem biblischen Befund überein.

 Further, if Jesus predicted his resurrection appearances prior to their occurrence, which is now considered likely even among critical scholars, this would point to Jesus’ resurrection being an ordered event fitting into a larger, specific theistic context. 

Na ja - nur wenn man die "critical scholars" sorgfältig aussucht. Es ist in der Bibelwissenschaft im Prinzip Konsens, dass nicht alle Worte Jesu im NT authentisch sind. Da Jesus selber ja leider nichts aufgeschrieben hat, und es auch keine anderen Dokumente aus seiner Lebenzeit gibt, kann man immer nur Wahrscheinlichkeiten angeben, welche Aussagen sich seine Jünger wörtlich gemerkt haben, welche Aussagen "sinngemäß" stimmen, welche Aussagen er "so gesagt haben könnte", und welche Aussagen eher nicht zum historischen Jesus passen.
Ich gehe aufgrund seiner Tätigkeit als apokalyptischer Prediger davon aus, dass Jesus nicht die Absicht hatte, sich kreuzigen zu lassen.

The bereavement experiences actually convince those grieving that the individual is dead; they don’t go looking elsewhere for their loved ones! 

Das stimmt so nicht. In dem Moment glaubt man wirklich, mit dem Angehörigen zusammen zu sein. Ich spreche aus Erfahrung. Eine andere Frage ist, wie man diese Vision im Nachhinein interpretiert.
Als mein Wachtraum vorbei war, war mir relativ schnell klar, dass mein Vater mir nicht wirklich erschienen ist - weil ich weiß, dass es Wachträume gibt.
Für jemanden, der daran glaubt, dass Menschen vom Erdenreich ins Reich der Toten und ins Himmelreich hinabsteigen und wieder heraufsteigen können (das war das antike Weltbild), ist die Sache nicht so klar. Und wenn dann die Person nicht mehr erscheint, wo könnte sie dann sein? Natürlich im Himmelreich.


But Jesus’ appearances unanimously convinced all who saw him that he was very much still alive and active in the world.

Aber leider nur sehr kurz - die Erscheinungen hören irgendwann nach 40 Tagen auf, ohne dass Jesus in dieser Zeit öffentlich wirkt (außer innerhalb der Schar seiner Nachfolger).
Dass niemand außer seinen Nachfolgern ihn gesehen hat, ist schon bemerkenswert.


Die Wache war bestechlich.

Dieser Abschnitt in Matthäus 28, 11ff ist hochinteressant zu lesen:

...Da trafen einige von der Wache (des Grabes) in der Stadt ein und berichteten den Hohen Priestern alles, was geschehen war (leeres Grab, Erscheinung des Engels). Und diese versammelten sich mit den Ältesten und fassten einen Beschluss: Sie gaben den Soldaten reichlich Geld und wiesen sie an, zu sagen, seine Jünger seien in der Nacht gekommen und hätten ihn gestohlen, während sie schliefen. Und wenn der Statthalter davon hört, so werden wir ihn beschwichtigen und dafür sorgen, dass ihr nichts zu befürchten habt. Sie nahmen das Geld und taten, wie sie angewiesen wurden. Und so hat sich dieses Gerücht (dass die Wachen geschlafen haben) bei den Juden verbreitet und gehalten bis auf den heutigen Tag.

Dieser Abschnitt ist offensichtlich deswegen im Matthäus-Evangelium gelandet, weil es dieses Gerücht (dass die Wachen gepennt haben) tatsächlich gab. Und dass Wachen bestechlich sind, war auch damals schon bekannt.
Vielleicht war an dem Gerücht was dran?
Gute Zutaten für eine Vertuschungsaktion - die Frage ist nur, wer hier was vertuschen wollte.
Wollte die Wache vertuschen, dass sie geschlafen hat? Wenn ich die Wache wäre, würde ich das auch nicht zugeben, sondern mir lieber eine bessere Geschichte ausdenken.
Zum Zeitpunkt der Kreuzigung hatte Jesus ja noch nicht die Bedeutung, die er nach seinem Tod bekam. Für die römischen Wachen war er nur ein jüdischer Wanderprediger wie andere vor und nach ihm. Die konnten ja nicht ahnen, dass aus dem verschwundenen Leichnam im Nachhinein so eine Riesen-Geschichte werden würde.



Hier noch eine andere Rezension von Lee Strobel, der Fall Jesus:

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