Corona-Zeiten und Verschwörungstheorien

Im Moment machen sich die Menschen ja allerlei Gedanken, wo das Corona-Virus herkommt, wie gefährlich es ist, was man dagegen tun kann, und wer davon profitiert oder verliert.

Die Schwierigkeit bei allen diesen Fragen ist, dass es im Moment nur vorläufige Antworten auf diese Fragen gibt, wenn man eine seriöse Antwort geben will.
Es ist für viele Menschen gar nicht so einfach, diese Unsicherheit auszuhalten. Es ist aber leider nicht vermeidbar.

Die Wissenschaftler und Politiker befinden sich gerade in einer steilen Lernkurve, und jede Woche kommen neue Erkenntnisse hinzu. Denn das Virus und seine medizinischen und gesellschaftlichen Auswirkungen sind halt nun mal neu und unbekannt.

Was von Anfang an bekannt war

Gleichzeitig wusste man selbst am Anfang der Epidemie schon Folgendes über das Virus:
- es hat, wenn es nicht gebremst wird, einen Fortpflanzungsfaktor oder Reproduktionszahl R von durchschnittlich ca. 3. d.h. jeder Infizierte steckt 3 weitere Menschen an, bevor er wieder unansteckend wird (durch Quarantäne, Genesung oder Tod).
Wenn der Infizierte diese durchschnittlich ca. 3 Ansteckungen innerhalb von ca. 4 Tagen schafft, dann hat sich das Virus innerhalb von 4 Tagen verdreifacht (oder anders ausgedrückt: es wächst um ca. 30% pro Tag, oder verdoppelt sich innerhalb von ca. 3 Tagen)


- der Krankheitsverlauf ist ähnlich einer Grippe, aber manchmal schwerer (je nach Vorerkrankung und Risikogruppe)

- es trifft auf eine ungeimpfte und nicht herdenimmunisierte Bevölkerung.


Diese 3 Faktoren zusammen hatten das Potential, sehr viel mehr Tote zu erzeugen, als man selbst bei einer schweren Grippesaison erwarten kann.
Dass dieses Potential nicht nur theoretisch ist, sondern real, konnte man in diversen Hotspots weltweit beobachten, wo da Virus sich mehr als ein paar Wochen oder Monate ungebremst verbreitete.
Die Übersterblichkeit in diesen Gebieten (z.B. Bergamo, Italien) liegt bei ca 50%. D.h. es sterben 50% mehr Menschen als normalerweise.

Schnelle Maßnahmen

D.h. die Politiker hatten eigentlich nur wenige Tage, höchstens Wochen, Zeit, um Maßnahmen zu ergreifen. Länder, die früh und entschlossen reagiert haben (Südkorea, Neuseeland, Deutschland), verzeichnen praktisch keine Übersterblichkeit.
Für die Entscheidung über diese Maßnahmen lagen wenig Erfahrungswerte vor. Man musste also aufgrund von dünner Datenlage entscheiden. Dass die Entscheidungen schnell fallen mussten, war aber aus den Daten schon zu erkennen.

Diese Entscheidungen waren nicht immer optimal. Ich könnte da einiges kritisieren, wenn ich wollte. Aber im Großen und Ganzen haben sie funktionert.

Verluste und Gewinne

Jetzt ist jede Maßnahme zur Pandemiebekämpfung natürlich eine Abwägungssache. Auch durch die Abwehrmaßnahmen werden Menschen sterben (verzögerte Operationen, Suizid, verkürzte Lebenserwartung durch Arbeitslosigkeit)
Auf der anderen Seite haben die Abwehrmaßnahmen auch unbeabsichtigt lebensverlängernde Effekte für nicht Infizierte (Weniger Verkehrstote, weniger Stress, suaberere Luft, allgemein geringeres Risiko, sich mit etwas anzustecken)

Der durchschnittliche Corona-Tote ist ca. 80 Jahre alt. In diesem Alter hat man noch ca. 10 Jahre zu leben (manche werden 85, andere 95, Frauen älter als Männer)
Berechnungen der Uni Glasgow ergaben, dass der durschnittliche Verlust von Lebensdauer ca. 11 Jahre beträgt. Diese beiden Zahlen passen gut zueinander.
https://wellcomeopenresearch.org/articles/5-75/v1

Diesen Lebensdauer-Verlust wird man jetzt gegen die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Schäden aufrechnen.
Klingt zynisch, ist auch so.
Wir machen das aber in anderen Lebensbereichen auch so. Der Autoverkehr läuft weiter, trotz tausenden Toten in Dtl. pro Jahr.
Es gibt Zucker, Zigaretten und Alkohol etc. frei verkäuflich, obwohl die Toten durch Diabetes, Raucherkrankheiten und Alkohol-Krankheiten in die 10.000ende pro Jahr gehen.

Bringen die Verbote was?

Eine gängige Annahme lautet, dass die ganzen Verbote gar nichts gebracht haben, weil R ja schon vor den Verboten gefallen ist, und zum Stichtag der Verbote nicht weiter fiel.

Diese Fehlanahme beruht auf einigen Vereinfachungen:
1. Firmen und Menschen haben schon lange vor Inkrafttreten einzelner Verbote angefangen, vorsichtig zu sein (Homeoffice, keine öffentlichen Veranstaltungen, Abstandsregeln, Hygiene, Maske). Das hat sich natürlich ausgewirkt.

2. Auch nach Inkrafttreten der Regeln braucht es eine Weile, bis sich alle daran halten.

3. und vielleicht am wichtigsten: Die Infektionszahlen (und davon abhängige Kennzahlen wie R oder Verdopplungsrate) hinken den Maßnahmen immer um ca 10 - 14 Tage hinterher.
D.h. man kann nicht einfach einen Tag X nehmen, an dem ein Verbot eingeführt wurde, und erwarten, dass am nächsten Tag sich R halbiert.

Die Beobachtungen der letzten Monate zeigen, dass die Maßnahmen insgesamt sehr deutlich wirken.
Ohne diese Maßnahmen hätten wir Zuständen wie in anderen Ländern.
In anderen Worten:
Wir haben nur deswegen so wenig Tote, weil die Maßnahmen wirken.
Diese Aussage ist eigentlich banal, aber doch betonenswert.
Es handelt sich hier nicht nur um eine zufällige Korrelation, sondern um eine Kausalität.
Die Kausalität begründet sich darin, dass man für jede einzelne Maßnahme die Wirkungsmechanismen kennt (zumindest grob), und - Überraschung - es funktionert tatsächlich.
Man kann auch die Vergleichsgruppen heranziehen, wo die Maßnahmen später oder lockerer waren.
Da sind die Fallzahlen halt höher.
https://www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/coronavirus-in-deutschland-so-effektiv-ist-die-pandemie-politik-a-0493acde-b466-4ed1-875c-6b7feb31378a

Wie geht es weiter?

Ja, dass kann niemand so genau sagen.
Keiner kann genau vorhersagen, wie vernünftig sich die Deutschen in den nächsten Monaten verhalten werden.
Keiner kann genau sagen, wann die Corona-App kommen wird, und wie viel Prozent der Bevölkerung sie verwenden wird.
Keiner kann sagen, wann ein Impfstoff flächendeckend zur Verfügung stehen wird.
Keiner kann sagen, ob dieser Impfstoff nach 2 Jahren noch funktionieren wird, oder ob das Virus sich bis dahin schon wieder zu sehr mutiert hat.
Die Weltwirtschaft hängt an den USA. Keiner kann sagen, wie sich die Corona-Politik in den USA entwickeln wird.

Im schlimmsten Fall kommt eine zweite Welle, ein weiterer Lockdown ist erforderlich, und die Wirtschaft wird dann RICHTIG leiden.
Im besten Fall haben wir das Schlimmste schon hinter uns.

Mein Appell:
Jeder, der es sich leisten kann, sollte weiter vorsichtig sein - auch im Interesse der Wirtschaft. Es ist auch für die Wirtschaft nicht gut, wenn dauernd Hotspots ausbrechen, und die Belegschaft in Quarantäne muss, und der Landkreis abgesperrt wird.

Jetzt bin ich aber vom Thema abgekommen - ich wollte eigentlich über Verschwörungstheorien schreiben.


Cui Bono?

Wer profitiert davon?

Diese Frage stellen sich viele, die die wahre Ursache hinter manchen Ereignissen finden wollen.
Wer profitierte von 9/11? Hat nicht die US-Regierung am meisten profitiert?
Wer profitiert von Imfpstoffen? Die Pharmakonzerne! etc.

Die Frage ist aber zu eindimensional.
Sie geht davon aus, dass es immer nur einen Profiteur geben kann, und dass dieser Profiteur automatisch der Verursacher sein muß.

Das Leben ist aber komplexer.

Unser ganzes Geschäftsleben beruht darauf, dass es mindestens 2 Profiteure geben muss:
Der Verkäufer freut sich über das Geld. Der Käufer freut sich über die Ware. Es ist eine Win-Win Situation.

Wir profitieren oft von Umständen, die wir nicht verursacht haben.
Ich profitiere von den Fähigkeiten meines Arztes, ohne dass ich ihn ausgebildet habe.
Ich profitiere von den Profiten der Marktwirtschaft, ohne dass ich sie geschaffen habe.
Wenn es schneit, profitieren Hersteller von Winterreifen und Schneeschaufeln. Das heißt aber nicht, dass sie den Schnee verursacht haben.

Jetzt auf die Corona-Krise übertragen:
Natürlich proftiert die Pharma-Branche von der Corona-Krise.
Aber die Kranken profitieren auch: Ohne ein funktionierendes Medizinsystem ginge es ihnen viel schlechter.
Außerdem leidet die Medizin-Branche auch unter der Krise: Umsätze in anderen Bereichen als Corona-Bekämpfung gingen deutlich zurück. Die Zusatzkosten für Hygiene-Bestimmungen treffen alle Unternehmen, auch die Pharmabranche.

Daraus zu schließen, dass jemand (Bill Gates*, die chinesische Regierung) das Virus absichtlich freigesetzt hat, zeugt von mangelndem Verständnis der komplexen Interessenlage der Beteiligten.

Welches Pharmaunternehmen wäre so blöd, einen Virus freizusetzen, während der Impfstoff noch gar nicht fertig ist? Wenn das der Plan von Bill Gates war, dann ist er spektakulär schief gegangen.

Und wollte die chinesische Regierung vielleicht absichtlich das Virus freisetzen, um die westliche Welt zu schwächen?
Auch dieser Plan wäre fehlgeschlagen, denn China hat sich ja selber in ähnlichem Maße geschwächt.

Hier der aktuelle Stand, wo das Virus wohl herkommt:

https://www.berliner-zeitung.de/gesundheit-oekologie/faktencheck-wurde-sars-cov-2-im-labor-fabriziert-li.83239?utm_source=pocket-newtab-global-de-DE

Kurzzusammenfassung:
Das Virus ist 100% bio, d.h. nur durch Mutationen entstanden.
Diese Mutationen könnten theoretisch auch in einem Labor "gezüchtet" worden sein, ist aber unwahrscheinlich, weil Labore anders vorgehen, wenn sie ein Killervirus kreieren wollen. Sie "züchten" nicht nur, sondern bauen Versatzstücke von anderen Viren mit geeigneten Eigenschaften ein.
Das Virus ist höchstwahrscheinlich mehrmals auf den Menschen übergesprungen. Denn es braucht viele Anläufe, bevor ein solcher Übersprung erfolgreich wird.
Ein guter Ort dafür sind die Marderfarmen in China.


Hier eine Einschätzung eines Arztes aus Schweizer Sicht:

Zeitungsartikel:
https://www.mittellaendische.ch/2020/04/07/covid-19-eine-zwischenbilanz-oder-eine-analyse-der-moral-der-medizinischen-fakten-sowie-der-aktuellen-und-zuk%C3%BCnftigen-politischen-entscheidungen/

Das Original:
https://www.infosperber.ch/data/attachements/Vogt.Interview.pdf




*Die Bill-Gates Verschwörungsphantasie ist ein ganz eigener Kosmos. Die Gazetten sind voll davon:
https://www.google.com/search?q=bill+gates+verschw%C3%B6rungstheorie

Hier ein Faktencheck:

https://www.mimikama.at/allgemein/bill-gates-coronavirus/



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