Sinn des Lebens - Alles oder nichts, und die Ehrfurcht vor dem Leben

Fortsetzung von Sinn des Lebens

Schmidt-Salomon drückt es so aus: „Homo sapiens erscheint uns heute nicht mehr als gottgewollte Krönung einer gut gemeinten, gut gemachten Schöpfung, sondern als unbeabsichtigtes, kosmologisch unbedeutendes und vorübergehendes Randphänomen eines sinnleeren Universums. Das mag auf den ersten Blick trostlos erscheinen – und doch ist diese Botschaft […] keineswegs düster. 

Ich wundere mich darüber, wie sehr intelligente Menschen, zu denen ich dich zähle, so inkonsequent denken und zu solchen Schlussfolgerungen kommen können.

Ja, an diesem Punkt bleibt unsere Diskussion immer wieder hängen. Ich will mal zusammen mit dir versuchen, zu analysieren, an welchen Denkschritten wir auseinanderdriften. Dazu ist natürlich ein gewisser guter Wille bei dir nötig :-) Du musst diese Weltsicht ja nicht teilen. Es geht erstmal nur darum, zu verstehen.

Wir müssen vorsichtig sein, wenn wir das Wort "Sinn" verwenden, und im Zweifel erklären, was wir gerade darunter verstehen.

Wenn unser Leben zufällig entstanden und an sich völlig sinn- und bedeutungslos ist, dann ist es das auch – PUNKT!

Bis dahin sind wir alle, die Philosophen, du und ich, im Prinzip einer Meinung.

Aus dieser Einsicht ziehst du folgende Schlussfolgerungen:

-  Emotional-tröstende Gedanken sind bedeutungslos. 

-  Die Behauptung, dass es sinnvoll sei, das an sich sinnlose Leben im Einzelnen zu leben, ist nicht logisch

- Es bleibt uns  nichts anders übrig, als das Leben irgendwie zu leben und vielleicht sogar das Beste draus zu machen

 – aber keiner muss es, und sollte man was draus machen, dann muss es nicht unbedingt gut, schön, hilfreich oder irgendwie ethisch vertretbar sein!‘

- Wenn das Leben an sich sinnlos ist, dann hat das verheerende Folgen. Ich kenne viele, die die Theorie der Sinnlosigkeit des Lebens vertreten, aber niemanden, der dies konsequent tut – ganz einfach, weil dies unerträglich wäre und uns widerstrebt, weil es einfach der „Wahrheit“ nicht entspricht.

Ich teile auch deine Beobachtung, dass den allermeisten Menschen ihr eigenes Leben doch wichtig ist.
Du schließt daraus:
Alles, was wir tun, tun wir, NUR weil wir einen Sinn darin sehen.

An der Stelle beginnen unsere Ansichten, auseinanderzustreben.

Ich würde eher so formulieren: Alles was wir tun, tun wir, weil wir uns Gutes (welcher Art auch immer) davon versprechen. Also eher in der Bedeutung des Wortes: Das macht Sinn, das bringt was, also tue ich es. Das ist nicht der große, philosophische Sinn des Universums, das ist der kleine "Das ist mir wichtig, weil es mir was bringt" Sinn.

Ich vermute mal, nicht wenige Menschen kommen einigermaßen zufrieden durchs Leben, ohne sich je die Frage nach dem großen, philosophischen Sinn gestellt zu haben. Das Leben läuft, man hat seine Ziele, Lebensphasen und Erfolge, und irgendwann ist es vorbei.

Ich fürchte, das was uns im Leben antreibt, ist meistens sehr profan. Es ist nicht der große, philosophische Sinn. Es sind unsere ganz normalen menschlichen Bedürfnisse, die gestillt werden wollen.

Das ist natürlich nicht sehr "logisch". Da steckt keine Logik dahinter. Es ist einfach so, wie wir Menschen sind. Der Lebenserhaltungstrieb, und alles was dazugehört, der Spaß am Leben, ist uns angeboren, den können wir nicht einfach so abstellen. Wer das trotzdem tun will, muss sich schon sehr anstrengen :-)
Psychische Erkrankungen, Folter etc. lasse ich jetzt mal außen vor. Ich glaube wir sind uns einig, dass pathologische Befunde nicht als philosophisches Argument geeignet sind.

Du bist der Meinung, dass du diese Motivation im Leben, die du "Sinn des Lebens" nennst, durch deinen Glauben bekommst. Das ist für dich bestimmt richtig.

Es gibt aber jede Menge Menschen, die auch ohne den christlichen Glauben Motivation und Antrieb haben. Vielleicht sind einige auch einfach Hedonisten, die "nur" Spaß am Leben haben.
Das ist unbestreitbar die Lebensrealität, die wir beobachten. (Vielleicht vergleichbar mit dem, was du weiter oben als "Wahrheit" in Anführungszeichnen bezeichnet hast - dass die Menschen in Wahrheit Leben, als ob es einen Sinn gäbe)

Aus deiner Sicht müssten diese Menschen, wenn sie konsequent wären, eigentlich einfach im Bett liegen bleiben, weil es ja sowieso sinnlos ist.
Das tun sie aber nicht. Offensichtlich haben diese Menschen einen Antrieb, der sie morgens aus dem Bett bringt. Wo dieser Antrieb herkommt, habe ich oben versucht zu erklären.

Du siehst hier einen krassen, unüberbrückbaren Widerspruch zwischen der Lebensrealität des Existenzialisten (er steigt jeden Morgen aus dem Bett und freut sich seines Lebens), und seiner Ansicht, dass das Große Ganze sinnlos ist.
Du schließt dann vom Großen Ganzen (sinnlos) auf das individuelle Leben (muss daher auch sinnlos sein).

Diese direkte Schlussfolgerung ist meines Erachtens zu vereinfachend, denn:
Erstens reden wir hier, wie oben differenziert, von zwei verschiedenen Bedeutungen des Wortes "Sinn". Beim Großen Ganzen ist es der Sinn des Universums. Beim individuellen Leben ist es "nur" der Handlungsantrieb.
Zweitens behandelst du hier eine riesige Zeitspanne und Ausdehnung (das Universum) genauso wie die Zeitspanne und Ausdehnung eines einzelnen kleinen Lebens. Ich weiß nicht, ob man an diese zwei wirklich sehr unterschiedlichen Sphären / Kategorien ohne jegliche Anpassung des Maßstabs die selbe Beurteilung anlegen kann, was Bedeutung und Sinn angeht.
Natürlich besteht der Sinn eines kleinen, individuellen Lebens nur während dessen Existenz, sehr kurz, subjektiv und relativ. Aber heißt dass, das er gar nicht existiert? Ich denke nicht. Es ist halt eine andere Art von Sinn. Wenn du findest, dass das Wort "Sinn" hier zu klein gemacht wird, dann können wir uns gerne darauf einigen, dass das einzelne Leben keinen "Sinn" hat - es hat aber trotzdem Motivation, Handlungsantrieb, und für die beteiligten Subjekte Bedeutung.

Pointiert gesagt: Die Biologie bringt uns dazu, so zu leben, als ob es einen Sinn gäbe. Daher kann man aus der Tatsache, das Menschen leben, als ob es einen "kleinen" Sinn gäbe, nicht schließen, dass es den "großen" Sinn wirklich gibt.

Um bei deinem Beispiel mit dem Essen zu bleiben: wir kochen, weil es schmeckt - so einfach und trivial, auf den Moment bezogen, ohne tieferen Sinn. Der Hunger und das Geschmackserlebnis reicht schon als Begründung.

Kannst du diese Unterscheidung nachvollziehen, selbst wenn du in deinem eigenen Leben mehr als nur den "kleinen" Sinn siehst?

Jetzt sind wir Menschen natürlich mehr als nur Biologie im Sinne von rein trieb- und instinktgesteuert, sondern wir haben auch die Vernunft. Und nun, während wir leben, sind wir auch in der Lage, über das Leben nachzudenken. Das ist der Beginn der Philosophie.

z.B. über die Ehrfurcht vor dem Leben, aus Jostein Gaarder, "Sofies Welt", S. 503

... Denn ist es nicht auch eine Konsequenz der (Entwicklung des Lebens), dass wir an etwas Großem teilhaben, wo noch die kleinste Lebensform im großen Zusammenhang wichtig ist? Wir sind der lebendige Planet. Wir sind das große Boot, das eine brennende Sonne im Universum umsegelt. Aber jede und jeder von uns ist auch ein Boot, das mit Genen beladen durchs Leben segelt. Wenn wir diese Ladung in den nächsten Hafen gebracht haben - dann haben wir nicht umsonst gelebt.

Sartre sagt dazu, dass wir selber auswählen können, was für uns von Bedeutung ist. Daher können die existenziellen Fragen nicht ein für alle Mal und für alle gleich beantwortet werden.
Ein philosophische Frage ist per definitionem eine Frage, die sich jede einzelne Generation - ja jeder einzelne Mensch - immer wieder neu stellen muss. Dem Philosophen ist bewusst, dass seine Erkenntnisse nur aktueller Stand des Wissens und daher vorläufig sind (S. 546, S. 85)

Ich bin mir nicht mehr ganz sicher, ob du Prechts Buch "Künstliche Intelligenz und der Sinn des Lebens" gelesen hast? Die Frage nach dem Sinn behandelt er verstreut immer wieder im ganzen Buch, hier eine Orientierungshilfe, um die Stellen zu finden:

https://erkenntnisgewinne.blogspot.com/2020/09/richard-david-precht-kunstliche.html

Wer sagt "Mein Leben muss für das ganze Universum von Bedeutung sein, ansonsten ist es gar nicht von Bedeutung", der nimmt sich ziemlich wichtig. Zwischen diesen beiden Extremen gibt es ein weites Feld, fast so groß wie das Universum selber.

Beim Stichwort "Ehrfurcht vor dem Leben" darf Albert Schweitzer und sein gleichnamiges Buch nicht fehlen:

https://de.wikipedia.org/wiki/Albert_Schweitzer

Mich wundert es sehr, dass du die hier so wichtigen Themen „Moral“ und „Leid“ so gut wie völlig ausgeklammert hast.

Ich kann dich beruhigen, ich habe beiden Themen einen vollen Blogpost gewidmet :-)

https://erkenntnisgewinne.blogspot.com/2020/01/theodizee.html

https://erkenntnisgewinne.blogspot.com/2020/01/gibt-es-eine-universelle-moral.html

Was sagst du einem verzweifelten Teenager oder einem leidenden Menschen, der in seinem Leiden keinen Sinn mehr sieht?

Da sind wir schon fast bei der Frage nach einem selbstbestimmten Tod. Wenn jemand sagt "Das hat alles keinen Sinn mehr, ich will sterben", ist es wichtig, die Ursache dieser Aussage aufzudecken. Vielleicht ist es Liebeskummer, vielleicht eine depressive Phase, vielleicht auch eine reflektierte und stabile Einsicht aufgrund von z.B. ALS? Je nachdem würde die Antwort unterschiedlich ausfallen. z.B. Rat zur professionellen psychologischen Hilfe.
Mir sind die Probleme von Sterbehilfe bekannt, falls du darauf hinauswillst. Nach reichlicher Abwägung und Anschauungsfall in der eigenen Familie bin ich der Meinung, dass es okay ist, wenn ein Todkranker sterben will, um sein Leid zu verkürzen.

Zu deiner Frage, wie man bei einem sinnlosen Universum moralische Regeln aufstellen kann - vielleicht reden wir darüber, sobald wir uns über den Blogpost über Moral ausgetauscht haben.

Kommentare

  1. 1/2

    Hallo Thomas,
    Danke für deine ausführliche Antwort. Danke, dass du differenziert formuliert hast. Es war für mich sehr hilfreich – v.a. dass ich das (mit deinen Worten) lesen konnte, was ich selber im ersten Beitrag gemeint habe!
    Wir halten fest, dass wir zwischen zwei Ebenen von „Sinn“ unterscheiden müssen: Es gibt den objektiven „großen Sinn“ und den subjektiven „kleinen Sinn“ (s. mein Beispiel mit der Maschine).
    Du bist der Meinung, dass es den „großen Sinn“ nicht gibt. Du sagst aber auch: Obwohl es den „großen Sinn“ nicht gibt, ERLEBT und EMPFINDET der Einzelne sein Leben als sinnvoll wegen einer wie auch immer gearteten Motivation. Das ist alles für mich sehr nachvollziehbar.

    Du schreibst: „Die Biologie bringt uns dazu, so zu leben, als ob es einen Sinn gäbe. Daher kann man aus der Tatsache, dass Menschen leben, als ob es einen "kleinen" Sinn gäbe, nicht schließen, dass es den "großen" Sinn wirklich gibt.“ Natürlich können wir das nicht – das habe ich auch nicht gemacht. Ich möchte aber festhalten, dass du mit dem ersten Teil dieser Aussage die Meinung vertreten hast, dass der „kleine Sinn“ eine von der Natur zur Lebenserhaltung hervorgebrachte Täuschung sei. (Pointierter: Die Natur täuscht mich, indem sie mir den nächsten Schritt schmackhaft macht, der mich meinem Tod näher bringt.)

    Fazit: Das Leben hat im „Großen“ (objektiv) und im „Kleinen“ (wegen einer natürlichen Täuschen) eigentlich auch keinen Sinn – aber trotzdem erleben wir unser subjektives Leben als sinnvoll (weil die einzelnen Zahnräder innerhalb der großen Maschine miteinander SINNvoll korrelieren, aber sie wissen vielleicht nicht, dass sie Teil einer großen Maschine sind, die für nichts zu gebrauchen ist).
    ...

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  2. 2/2

    Ich gehe einen Schritt weiter:
    Du erwähntest Jean-Paul Sartre und dass er gemeint habe, dass wir selber auswählen können was für uns von Bedeutung ist. Wenn ich mich richtig erinnere, war er es, der mal folgendes Beispiel – oder ein ähnliches? – genannt hat. Du fährst an einem regnerischen Tag mit dem Auto und siehst eine alte Frau am Straßenrand, die möglicherweise Hilfe braucht. Szenario 1: Wenn du (vielleicht in Gedanken versunken) an ihr vorbeifährst, hat dieser Moment für dich keinen Sinn gehabt. Szenario 2: Du könntest aber anhalten und ihr helfen. So hast du dem Moment Sinn und Bedeutung verliehen. M.a.W.: Der Moment hat an sich keine Bedeutung für dich bis du ihm eine verleihst. Sartre geht aber weiter und sagt, dass es an sich zweitrangig ist, welche Bedeutung du dem Moment verleihst, weil es im Endeffekt so gut wie egal ist: Du hast die volle Freiheit. Du kannst jede Entscheidung treffen und dem Moment einen Sinn verleihen. Szenario 3: Du könntest die Frau auch überfahren – dann war der Moment für dich ebenfalls nicht sinnlos.

    Du würdest jetzt sagen: Niemals würde ich die Frau überfahren, weil es für mich nicht vorteilhaft ist – und damit wäre dies sinnlos. OK! Aber was ist, wenn ein anderer das anders sieht? Was ist, wenn ein anderer seinem Moment dadurch Sinn verleiht, dass er die Frau überfährt?
    Jetzt wirst du vielleicht denken: Das ist pathologisch und Pathologisches kann nicht als philosophisches Argument herangezogen werden. Ich sehe es a) anders – ich kann z.B. nicht alles, was Hitler und Stalin gemacht haben, als pathologisch abtun; was ist überhaupt pathologisch, wenn alles Natur ist? – und b) ich finde es inkonsequent, diese zweite Alternative (die Frau überfahren), nicht in Betracht zu ziehen. (Sartre ist der Meinung, dass jeder durch seine Entscheidungsfreiheit seine Wirklichkeit frei entwirft, die ausschließlich in der Tat ihren Ausdruck findet. Seine Freiheit macht ihn für seine Wirklichkeit zum „Gesetzgeber“.) Das wiederum zeigt, dass es im endeffekt „egal“ ist, wie man lebt. (Dieser letzte Satz wird wohl Widerspruch in dir hervorrufen, womit wir wieder am Anfang sein müssten.)

    Fazit: Wenn der „große Sinn“ nicht existiert und der „kleine“ eine Naturtäuschung ist, der nur rein subjektiv von Bedeutung ist (also im Endeffekt bedeutungslos ist) und darüberhinaus (theoretisch) von jedem frei (und jenseits von Gut und Böse) entworfen werden kann, dann bleibt es eine Tatsache, dass der Existentialist im Allgemeinen am nächsten Tag aus seinem Bett steigt, zum Becker Brötchen kaufen geht, einer alten Frau hilft, für seine Kinder ein toller Vater sein möchte etc… Aber: das muss er nicht tun bzw. sein. Er könnte theoretisch auch eine Atombombe zünden – wenn seine Natur es ihm nahelegt. Er kann hier entscheiden, weil der „kleine Sinn“ ein Scheinsinn ist, der im Endeffekt sinnlos ist. Fazit des Fazits: Konsequent gedacht sind beide sinnlos – aber das empfindet man so nicht.

    Ich habe mehr zu sagen, aber ich lasse es erstmal dabei.

    Liebe Grüße,
    Noël

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  3. Hallo Noël,

    deine Beispiele mit Leuten, die andere absichtlich überfahren, und die Taten von Hitler und Stalin sind ja real.
    Attentäter und Diktatoren sehen einen Sinn in ihren Taten, sonst würden sie diese nicht tun.

    Die Frage ist: Habe ich als Außenstehender das Recht und einen geeigneten Maßstab, diese Taten zu bewerten, also als gut oder schlecht zu bezeichnen?
    Womit wir bei der Frage nach moralischen Normen wären, wie sie entstehen und anzuwenden sind.
    Im entsprechenden Post steht dazu ja schon einiges.
    An dieser Stelle, wo wir über Sinn reden, ist meines Erachtens Folgendes relevant:
    Moralische Normen sind keine rein individuelle Sache. Moralische Normen werden angewandt, um das Verhalten zwischen Menschen zu beurteilen.
    Moralische Normen entstehen auch nicht nur im Individuum. Natürlich sind uns einige grundlegende Verhaltensweisen angeboren. Aber wie wir das dann in unserer Gesellschaft umsetzen, kann je nach den Umständen (Naturraum, Geschichte, Wirtschaftsweise, politisches System) ziemlich unterschiedlich sein.
    Jedenfalls einigen wir uns in unserer jeweiligen gesellschaftlichen Gruppe/Subkultur/Nation auf bestimmte Normen.
    Diese Normen sind dann innerhalb der Gruppe akzeptiert und werden dort mehr oder weniger durchgesetzt. Sie sind aber damit nicht automatisch global gültig. (Das mit der unantastbaren Würde des Individuums z.B. ist bis heute keine universal anerkannte Norm, und wird auch nicht universal durchgesetzt.
    Die Würde des Menschen ist aber ein gutes Beispiel dafür, wie wir in einer eng zusammenwachsenden Welt uns auf immer mehr gemeinsame Spielregeln einigen müssen.)

    Jetzt zur Ausgangsfrage: Habe ich das Recht, die Taten des Attentäters und Hitlers (und die Taten aller meiner Mitmenschen) zu bewerten, und ggfs. zu bestrafen?
    Wenn es nur ich gegen den Attentäter wäre - dann wäre es wohl Gleichstand. Jeder von uns beiden kann behaupten, dass er im Recht sei. Und moralische Normen, die man nicht durchsetzen kann, entfalten keine Wirkung. Es ist, als ob sie nicht da wären.
    Der Attentäter, Hitler und Stalin nehmen für sich in Anspruch, dass ihre Taten nur zum Wohl der Gruppe/des Volkes seien. Und sie rechtfertigen das mit Gewichtungen - z.B. dass ein einzelnes Leben nicht so wichtig sei wie das Leben eines ganzen Volkes, oder das manche Völker besser, und damit wichtiger seien als andere.
    Wie konnte also die "freie Welt" sich das Recht herausnehmen, Hitler zu beurteilen, und ihn zu bekämpfen?
    Weil die freie Welt eine Norm hat, nach der alle Menschen und Völker gleich wichtig sind. Die freie Welt hat die Gewichtung anders gesetzt. (Ich gehe jetzt nicht darauf ein, wie man diese Norm begründet.)
    Und die freie Welt war der Meinung, dass diese Norm überall gilt, und hat sich dazu entschlossen, diese Norm auch durchzusetzen.
    (Natürlich ist die Interessenlage und Motivation aller Beteiligten sehr viel komplexer, und man kann den Faschismus und den 2.WK nicht nur auf einzelne Personen und Normen zurückführen. Ich führe das hier nur aus, weil du Hitler und Stalin explizit als Beispiel erwähnt hast.)

    (Fortsetzung folgt)

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  4. >>Das wiederum zeigt, dass es im Endeffekt „egal“ ist, wie man lebt.

    Kommt drauf an, welchen Zeitraum du mit "im Endeffekt" im Sinn hast, und wem es "egal" ist :-)
    Da du diesen Satz so umspannend formuliert hast, muss ich ihn auch umspannend beantworten...

    Im ganz großen Zeitrahmen, also wenn in einer Milliarde Jahren unser Planet verglüht, dann ist es wirklich egal, denn die Menschheit und das Leben wird in der uns bekannten Form nicht mehr existieren. (Nebenbemerkung: Deswegen erscheint vielen Menschen auch die Aussicht, andere Planeten zu besiedeln, so attraktiv. Damit könnte man das Verschwinden in die Bedeutungslosigkeit vielleicht verzögern oder sogar verhindern.)

    Und für denjenigen, der sich in die Luft sprengt, ist es auch egal, weil er ja nichts mehr von den Konsequenzen seiner Tat miterlebt.

    Für die Betroffenen des Attentats ist es aber nicht egal. Das ist, wie in den Kommentaren weiter oben beschrieben, nur eine subjektive Bedeutung, aber sie ist trotzdem vorhanden.

    Und für die Zeit, wo wir Menschen als Gesellschaft einigermaßen selbstbestimmt, frei und würdevoll zusammenleben wollen (Das haben wir als Norm so festgelegt), ist es auch nicht egal, wie man lebt.
    Die Norm hat für die Menschen, welche sie akzeptieren, eine Bedeutung, und deswegen wird die Norm durchgesetzt.

    >>Wenn der „große Sinn“ nicht existiert und der „kleine“ eine Naturtäuschung ist,
    >>der nur rein subjektiv von Bedeutung ist (also im Endeffekt bedeutungslos ist)



    Man kann "subjektive Bedeutung" nicht ohne Weiteres mit "im Endeffekt ohne Bedeutung" gleichsetzen. "Subjektiv" ist nicht automatisch das Selbe wie "nicht relevant".
    Ich habe oben zu differenzieren versucht.

    Vielleicht müssten wir uns über die Bedeutung von "subjektiv" verständigen.
    Der Duden sagt:
    1. zu einem Subjekt gehörend, von einem Subjekt ausgehend, abhängig
    2. von persönlichen Gefühlen, Interessen, von Vorurteilen bestimmt; voreingenommen, befangen, unsachlich

    Die Frage ist, ob Phänomene, die nur in Abhängigkeit vom Menschen und innerhalb des Menschen existieren (z.B. auch Leidempfinden), relevant und von Bedeutung sind.
    Ich würde sagen: Wenn der dazugehörige Mensch von Bedeutung ist, dann ja.
    z.B. wenn dieser Mensch für andere Menschen Bedeutung hat. Der soziologische Begriff dazu lautet intersubjektiv.
    Das ist natürlich in gewissem Maße eine interne, selbstreferenzielle Begründung. Es läuft darauf hinaus: Konzepte wie Bedeutung und Moral machen nur im Kontext von Menschen und menschlichen Gruppen Sinn. Außerhalb dessen haben sie keine Bedeutung.

    >>... Der "kleine" Sinn kann (theoretisch) von jedem frei (und jenseits von Gut und Böse)
    >>entworfen werden ...


    Kann jeder versuchen, wie er will. Er muss nur damit rechnen, nicht sehr weit damit zu kommen. Denn keiner kann sich seiner Biologie, seiner Prägung und seiner Gesellschaft einfach so entziehen.


    >>... der „kleine Sinn“ ein Scheinsinn ist, der im Endeffekt sinnlos ist. Fazit des Fazits:
    >> Konsequent gedacht sind beide sinnlos – aber das empfindet man so nicht.



    Der Satz geht nahtlos über von einem "kleinen" Sinn zu einem "Schein" Sinn zu "sinnlos".
    Wie schon erwähnt, wenn dir das Wort "Sinn" durch das Einschließen von subjektivem Sinn zu sehr aufgeweitet wird, dann brauchen wir es dafür nicht zu verwenden.

    Um das Vorangeschriebene auf eine knappe Formulierung zu bringen:
    "subjektive Bedeutung" heißt nicht "keine Bedeutung", sondern Bedeutung im Rahmen des Kontextes, also im Rahmen der menschlichen Existenz.

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    4. Lieber Thomas,
      Danke für deine Antwort.
      Wir drehen uns im Kreis. Ich habe den Eindruck, dich verstanden zu haben. Dir ist wichtig zu zeigen, dass jeder Einzelne sein Leben sehr wohl subjektiv als sinnvoll erleben kann, auch wenn alles im Endeffekt objektiv gesehen sinnlos ist. Das verstehe ich. Ich verstehe auch, dass man das so tatsächlich erlebt. Deine Begründung überzeugt mich aber nicht.
      Ich fühle mich von dir falsch verstanden. Wenn du z.B. als Fazit schreibst: „Um das Vorangeschriebene auf eine knappe Formulierung zu bringen: "subjektive Bedeutung" heißt nicht "keine Bedeutung", sondern Bedeutung im Rahmen des Kontextes, also im Rahmen der menschlichen Existenz.“
      Ich wundere mich sehr über dieses Fazit.
      An keiner Stelle habe ich behauptet, dass „subjektive Bedeutung“ „keine Bedeutung“ heißt. (Ich hoffe, dies an keiner Stelle unbeabsichtigt vermittelt zu haben.) Ich habe aber sehr wohl gemeint, dass eine subjektiv erlebte Bedeutung IM GROSSEN KONTEXT DER SINNLOSIGKEIT bedeutungslos ist. Diese zwei Sätze meinen nicht dasselbe!
      Du schreibst: „…sondern Bedeutung im Rahmen des Kontextes, also im Rahmen der menschlichen Existenz“ – Ich verstehe nicht, wie du die menschliche Existenz so eng siehst! Das, was die menschliche Existenz am meisten prägt und im Kern beschäftigt, das ist ihre Vergänglichkeit und die großen Fragen nach Herkunft, Sinn, Moral und Ziel. Wenn der Alltag geprägt ist von Sorgen, Ängsten, Unsicherheiten, Fragen, Minderwertigkeitsgefühlen, Anfechtungen, Unmoral, Gebrechen, Kämpfen ums Überlegen, Hunger, Durst, Arbeitslosigkeit, Obdachlosigkeit, Kriegen, Vertreibung, Missbrauch, Unruhe, Süchten, Aggressionen, Depressionen, Verachtung, Behinderung, Krankheit, Tod… dann sieht der Kontext, von dem du redest realer aus. Dem Menschen in diesem realen Kontext zu sagen: „Alles ist im Endeffekt sinnlos aber trotzdem ist es – was auch immer das ist! – in deinem konkreten Lebenskontext sinnvoll“, greift meiner Meinung nach viel zu kurz!
      Ich bleibe dabei, auch wenn du mich anscheinend - so empfinde ich das – nicht verstehen kannst: Wenn das große Ganze sinnlos ist, dann ist der subjektiv erlebte Sinn bedeutungslos – NICHT im kleinen Kontext (s.o. mein Beispiel von der Maschine). Hier ein anderes Beispiel, das vielleicht hilft, dass du mich besser verstehst: Bei einem digitalen Spiel auf dem Handy ist es tatsächlich wichtig zu verstehen, dass jeder Zug eine Relevanz hat und zwar im Kontext des Spieles. Doch da das Spiel „im Endeffekt“ sinnlos ist – abgesehen vom Unterhaltungswert o.Ä. – kann ich meinem Sohn sagen: „Deine Zeit ist um, unterbrich das Spiel sofort und geh lernen.“ Wenn er dann antwortet: „Aber ich sterbe [im Spiel], wenn ich sofort aufhöre!“ Dann antworte ich mit: „Das ist egal!“ Verstehst du was ich damit sagen will? Ich habe einmal ein Spiel gemacht und habe absichtlich gegen die Regeln und willkürlich gespielt – das hat mich amüsiert, mehr nicht. Die einzelnen Entscheidungen während des Spiels standen in einem gewissen Kontext und korrelierten mit dem, was war und was dann geworden ist. Doch da im Endeffekt alles bedeutungslos war, waren die einzelnen Entscheidungen wertlos.
      Du schreibst: „Man kann "subjektive Bedeutung" nicht ohne Weiteres mit "im Endeffekt ohne Bedeutung" gleichsetzen. "Subjektiv" ist nicht automatisch das Selbe wie "nicht relevant".“
      Zu deinem zweiten Satz: Ja, nicht automatisch! Das bedeutet aber auch, dass „subjektiv“ nicht automatisch „relevant“ ist. Zum ersten Satz: „ohne Weiteres“ habe ich nirgendwo gesagt! Es geht mir doch um das subjektiv Erlebte IN EINER – wie du es verstehst – IM ENDEFFEKT SINNLOSEN EXISTENZ.
      Liebe Grüße!

      PS: Ich habe meinen Betrag 2x umformuliert - gelöscht und wieder veröffentlicht! Der Inhalt blieb gleich.

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    5. Hier ein Zitat von Tolstoi: „Heute oder morgen werden Krankheit und Tod zu denen kommen (sie kamen schon), die ich liebe oder zu mir. Nichts bleibt übrig als Gestank und Würmer. Früher oder später werden meine Angelegenheiten, was auch immer sie sein mögen, vergessen werden, und ich werde nicht mehr existieren. Warum also sich um irgendetwas bemühen? . . . Wie kann der Mensch das nicht sehen? Und wie soll man weiter leben? Das ist überraschend! Man kann nur leben, während man vom Leben berauscht ist; sobald man nüchtern ist, ist es unmöglich, nicht zu sehen, dass alles nur ein Betrug und ein dummer Betrug ist! Genau das ist es: Es gibt nichts, was amüsant oder witzig ist, es ist einfach grausam und dumm.“

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    8. Ich hatte Tolstoi bisher nicht als Philosoph auf dem Schirm. Danke für das Zitat. Es stammt aus seinem Buch "Meine Beichte". Ich habe es zum Anlass genommen, mich mit Tolstois Philosophie etwas zu beschäftigen:
      https://erkenntnisgewinne.blogspot.com/2021/11/leo-tolstoi-ist-er-auch-ein-philosoph.html

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    9. Ja, es ist interessant, sich mit Tolstoi ein bisschen zu beschäftigen. Er hat zwar die Dogmen des christlichen Glaubens abgelehnt, doch seine Geschichte zeigt - s. das Zitat oben -, dass es schwer ist, damit zurecht zu kommen, dass das Leben keinen übergeordneten Sinn hat.

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  5. Nur von einem subjektiven Sinn zu reden ist für die Mehrheit der Menschheit (über 90%) nicht erträglich, und auch nicht gewollt, und ehrlich gesagt irrsinnig. Der Naturalismus konsequent zu Ende gedacht endet im Nihilismus.

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    1. Dazu eine Umfrage des Instituts für Demoskopie Allensbach:
      https://www.faz.net/aktuell/gesellschaft/umfrage-was-ist-der-sinn-des-lebens-148398.html
      „Worin sehen Sie vor allem den Sinn ihres Lebens?“,
      68% "Glücklich sein"
      55% "Das Leben genießen"
      Damit setzt sich nach Angaben der Meinungsforscher der Trend in Richtung Hedonismus fort.

      Zahlen aus https://www.ifd-allensbach.de/fileadmin/AWA/AWA_Praesentationen/2006/awa06_jugend.pdf
      80% der 16 - 29 Jährigen antworten: "Das Leben genießen.
      54% der Bevölkerung insgesamt antworten: "Das Leben genießen"

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  6. Mir fällt gerade ein Zitat über den Atheismus ein, das dazu passt. Es geht um die metaphysische Obdachlosigkeit von Lisa Eckhart über den Atheismus:
    „Ich habe mir vom Atheismus sehr viel erhofft: Lebensfreude, Humor, Orgien. Letztlich aber ist man dann in dieser oft zitierten metaphysischen Obdachlosigkeit gelandet. Und jetzt
    ist die säkularisierte Welt fast noch lust- und lebensfeindlicher
    als die, gegen die man angehen wollte. Weswegen ich ganz bei
    Nietzsche bin, der sinngemäß sagt: ‚Gott ist tot. Wir haben ihn
    getötet, aber war diese Tat nicht etwas zu groß für uns?'

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    1. Mit Lisa Eckhart, dem enfant terrible der deutschsprachigen Kabarettszene, hast du dir aber eine unwahrscheinliche Kronzeugin gesucht :-)

      Das ganze Interview:

      https://www.die-tagespost.de/kultur/feuilleton/gott-darf-keinen-koerper-haben-art-210971

      Hier weitere Zitate aus dem Interview:

      Ich selbst glaube nicht an Gott, aber an die (katholische) Kirche.

      Den Gott des Alten Testaments finde ich wesentlich spannender, weil er noch Gott und Teufel in eins ist. Dieser Gott zürnt! Erst später wurde er zum mitleidigen und schließlich zum lieben Gott.

      Gott muss transzendental bleiben, er darf keinen Körper haben, darauf baut schließlich die ganze Kirche auf. Diese gewisse Körperfeindlichkeit, der ich selbst hin und wieder anheimfalle und mit der ich kokettiere, die sich doch immer wieder entzieht, die ist essentiell.

      Wenn Gott eines nicht sein darf, dann schmackhaft. Wir essen eh schon seinen Sohn. Wo kommen wir denn da hin, wenn wir jetzt auch noch seinen Vater aufessen? Was man sich im wahrsten Sinne des Wortes auf der Zunge zergehen lassen muss ... Allein dafür liebe ich die Katholiken, das hat keine andere Religion. Das ist so etwas Herrliches, fast schon Heidnisches, wie es die Heiden selbst nicht gewagt haben, dass sie ihren Anführer aufessen. Dieses Karnevalistische, dieses völlig Exzessive, das ist natürlich fantastisch. Aber dieses Schicksal würde Gott widerfahren mit dem Bratensaft. Deshalb ist es schon besser, er bleibt unerreichbar.

      Ich glaube, Nietzsche und die Kirche würden sich heute wahnsinnig gut verstehen, so verfeindet sie damals waren.

      Dass die Sünde der Intellekt und die Erkenntnis ist, das macht es unfassbar reizvoll.

      ... ich habe vor nichts mehr Angst als vor dem Tod, das bestimmt mein ganzes Dasein. Ansonsten wäre ich nicht so gut gelaunt. Dieser Humor gründet in einem quälenden Bewusstsein der Sterblichkeit. Der Tod sitzt mir unentwegt auf der Schulter, er ist immer da. Das halte ich aber gar nicht für verkehrt.

      Wie kann man dieser Angst begegnen?
      Mit Humor. Was will man anderes machen? Sich ihr gezielt masochistisch aussetzen, was man in der Satire ja auch tut. Die Lust entsteht, wenn Leute merken: Ich war mit dem Tod konfrontiert, aber ich lebe noch. Eine neue Todes- und Sterbenskultur hätte diese Gesellschaft bitter nötig.



      Im Lichte des Interviews drückt das von dir genannte Zitat Eckharts (und Nietzsches) Erkenntnis aus:
      (Den christlichen) Gott gibt es nicht.
      Diese Erkenntnis macht die Welt aber nicht automatisch lebensfreundlicher und lustfreundlicher.
      Lisa Eckharts Rezept dagegen ist (sehr) satirischer Humor. Ihr Humor ist zwar nicht ganz mein Geschmack, aber über Geschmack kann man bekanntlich nicht streiten :-)
      Ob nun ausgerechnet die Rituale der katholischen Kirche geeignet sind, wieder mehr Lust und Lebensfreude in unsere Welt zu bringen, sei dahingestellt :-)

      Das mit der Obdachlosigkeit habe ich auch so empfunden. Wenn man das alte Haus verlässt, dauert es eine Weile, bis man ein neues Zuhause gefunden hat. Unsere ganze Gesellschaft fühlt sich seit der Säkularisierung ein bisschen obdachlos. Das Alte ist vergangen, aber das Neue ist noch im Entstehen. Noch nie gab es innerhalb so weniger Generationen so viele Umwälzungen im Weltbild, in der Gesellschaft und in der Umwelt. Das muss man erst mal verkraften.

      Wenn das Christentum tatsächlich wieder ein Obdach für eine lebensfreundliche Gesellschaft bieten will, dann würde ich meine Hoffnungen, wenn überhaupt, eher auf einen liberalen, humanistischen Protestantismus setzen. Der Protestantismus ist allerdings in den letzten Jahrzehnten nicht unbedingt als Impulsgeber der gesellschaftlichen Entwicklung aufgefallen ...
      Mir fehlt die Vorstellungskraft, wie die katholische Kirche sich von innen heraus reformieren könnte.

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    2. Vielleicht ist für dich Johannes Hartl eine Antwort auf der Suche. :-) Einerseits, der das Potenzial hat, die katholische Kirche von innen heraus zu reformieren, andererseits Impulsgeber für so manches relevante in der Gesellschaft. Nicht zuletzt mit seinen Buch "Eden Culture". Ich habe es aber noch nicht gelesen, nur Rezensionen gelesen.

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    3. In dem Magazin "anders Leben" Ausgabe 04/21 ist ein 4-seitiges Interview mit Johannes Hartl. Die "anders Leben" ist eines der wenigen christlichen Magazine, die ich noch mit Gewinn lese.
      Sein Buch "Eden Culture" habe ich nicht gelesen, aber in dem Interview gibt er einige Einblicke. Ich teile viele seiner Einsichten aus dem Interview. Wenn du willst, kann ich es einscannen und dir zuschicken.
      Oder hast du die "anders Leben" selber abonniert?

      Vielleicht ist für dich Johannes Hartl eine Antwort auf der Suche. :-)

      Das ist zu viel erwartet :-) Ich glaube nicht, dass ich nochmal in den Schoß der christlichen Kirche zurückkehre, wenn du mit "Suche" die Suche nach Sinn und Erlösung meinst. Was das angeht, ist mein Bedarf eigentlich inzwischen gedeckt.

      (Hartl ist) Einerseits, der das Potenzial hat, die katholische Kirche von innen heraus zu reformieren, andererseits Impulsgeber für so manches relevante in der Gesellschaft.
      Ja, als gesellschaftlicher Impulsgeber tritt er durchaus auf. Ich habe letztens in der "Zeit" eine Reportage über ihn gelesen. Der Tenor des Autors war ungefähr so: Viele anschlussfähige Gedanken zum Thema gelingendes Leben, Beziehungen, Bedeutung. In seinen Vorträgen findet jeder etwas, wo er sich identifizieren kann, aber manchmal bleibt es bei schönen, aber wolkigen, weil unkonkreten Einsichten und Ratschlägen.
      https://www.zeit.de/2021/47/johannes-hartl-theologie-katholizismus-gebetshaus-buch
      (Leider hinter der Bezahlschranke, aber ich kann dir den Inhalt mailen)

      Als Reformer der katholischen Kirche sehe ich ihn eher nicht. Sein Gebetshaus ist ja eher charismatisch-überkonfessionell ausgerichtet, obwohl es formell unter dem Dach der katholischen Kirche ist.
      Und der Schwerpunkt seines Redens und Schreibens scheint eher neben den katholischen Institutionen zu liegen, als innerhalb, wenn ich das von außen richtig sehe.

      Hier ein sehr interessantes Interview mit Johannes Hartl und Philipp Möller:
      https://melchiormagazin.com/duell-um-gott/

      Nach zwei Stunden war die Zeit um, deshalb konnten sowohl Hartl als auch Möller nicht alle Gedankengänge zu Ende begründen, aber für einen groben Überblick über die beiden Positionen reicht es.

      Noch ein Artikel zum Thema spirituelle Obdachlosigkeit:
      https://www.zeit.de/2021/48/welt-ohne-religion-missbrauchsskandale-kirche
      Was nach dem Glauben kommt
      Viele Menschen können mit Gott nichts mehr anfangen.
      Seite 1—Was nach dem Glauben kommt
      Seite 2—Die moderne Gesellschaft wäre vollständig mit sich allein
      Seite 3—Mit Fundamentalismus ist kein liberaler Staat zu machen

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