Das Zeitalter der Resilienz


In diesem Buch zeichnet der Autor Jeremy Rifkin ein Bild, wie die Gesellschaft der Zukunft funktionieren könnte.

Der Inhalt des Buches klingt erstmal sehr visionär - allerdings hat Rifkin in der Vergangenheit mit seinen Analysen oft richtig gelegen:

Jeremy Rifkin ist ein lebendes Frühwarnsystem. Der 78-jährige Trendforscher, Berater und Publizist aus Colorado sieht Umwälzungen oft schon jahrzehntelang kommen, bevor sie ins Bewusstsein der Politik rücken. 
Die Wasserstoffwirtschaft, die nun Gestalt annimmt, beschwor er vor 18 Jahren, das Zeitalter der Gentechnik erstmals gar vor 37 Jahren. Die neueste industrielle Revolution mit dem kombinierten Internet der Daten, der Energie und der vernetzten Maschinen war vor zwölf Jahren sein Thema.

Aus https://www.zeit.de/2023/06/das-zeitalter-der-resilienz-jeremy-rifkin-klimawandel

Es ist gar nicht so einfach, sein Buch zusammenzufassen, denn er spricht sehr viele Themen an, und manche seiner Thesen sind beim ersten Lesen nicht direkt eingängig.

Ich versuche den Inhalt in meinen Worten wiederzugeben, so wie ich ihn durchdrungen habe.

Inhalt

Das moderne Zeitalter der letzten 250 Jahre und die Folgen

1 - Anfällige Effizienz 

2 - Jede Wirtschaftsaktivität verursacht Folgekosten

3 - Gleichzeitige Krisen verstärken sich

4 - Das Industriezeitalter beschleunigt alles

5 - Privatisierung öffentlicher Güter und Einschränkung der Freiheit

6 - Arbeitsplätze und abhängige Verbraucher

Wir sind Natur

7 - Selbstbild des Menschen - Individuum, Gruppe und Biom

8 - Biologische Rhythmen und Perioden sind wichtig fürs Leben

9 - Ökologische Systeme und Anpassungsfähigkeit im Angesicht des Klimawandels

Die Zukunft - Anpassung an den Klimawandel und die natürlichen Bedingungen

10 - Infrastruktur der 3. industriellen Revolution im Angesicht des Klimawandels

11 - Politische Grenzen und ökologische Räume, Stadt und Land

12 - Die Demokratie wird persönlicher - Repräsentation und Bürgerbeteiligung

13 - Empathie mit Allem - Biophiles Bewusstsein




Kapitel 1 - Anfällige Effizienz 

Jede Wirtschaftseinheit, egal ob Privatperson, Unternehmen oder Nation, geht eine Balance ein zwischen Effizienz und Widerstandsfähigkeit.

Als Unternehmen kann ich alle Rohmaterialien in großen Mengen lagern, das ist aber teuer.
Effizienter, aber auch riskanter, ist es, auf teure Vorratshaltung zu verzichten.
Ich kann auch auf eine teure Personaldecke verzichten, riskiere dann aber Personalmangel.

Als Privatperson kann ich jahrelang auf eine Immobilieneigentum sparen und muss dafür auf vieles verzichten, dafür habe ich die Sicherheit, dass niemand mich rauswerfen kann.

Wirtschaftsstandorte können auf einfach verfügbare fossile Energie setzen, machen sich dann aber vom Lieferanten abhängig.

Bisher waren die meisten Firmen mit einem Fokus auf Effizienz profitabler, und verdrängten daher die mehr sicherheitsbedachten Firmen. Das funktioniert aber nur in einem stabilen Umfeld.

Rifkin sagt, dass das Umfeld sich in den nächsten Jahrzehnten so sehr wandelt und unberechenbarer wird, dass am Ende die widerstandsfähigen, resilienten Organisationen erfolgreicher werden, weil die anderen unvorhergesehene Erschütterungen nicht überleben werden.

Die industriellen landwirtschaftlichen Produktionsmethoden z.B. kommen mit den variablen Niederschlägen nicht gut zurecht, weil die genutzten hocheffizienten Pflanzensorten zu anfällig sind. Es gäbe aber resistentere Sorten.

Die Halbleiterindustrie ist ein Beispiel für einen extrem effizienten, aber auch extrem anfälligen Industriezweig

Zitat 1. Kapitel S. 30, leicht gekürzt:

In den vergangenen Jahrzehnten haben wir eine Reihe von Krisen erlebt:

  • 2001 Terroranschläge auf das World Trade center und darauf folgender Anstieg von Terrorgruppen in aller Welt
  • Finanz- und Wirtschaftskrise 2008 - 2010
  • Anstieg der globalen Ungleichheit, Verarmung von Arbeitnehmern
  • Aufstieg rechter, faschistischer Bewegungen
  • Vertrauenskrise der Demokratie
  • 2020 Corona-Pandemie
  • (noch nicht im Buch erwähnt: 2022 Ukraine-Krieg)

Doch diese Krisen, die unsere Zivilisation zu destabilisieren drohen, sind nichts im Vergleich zu den großen Gefahren für unsere Existenz:

  • mehr und größere Pandemien, (Anm: bedingt u.a. durch globale Vernetzung, Eindringen in unberührte Lebensräume, klimatische Änderungen)
  • exponentielle Erderwärmung, die das ...
  • sechste Massensterben der Erde beschleunigt.

S.31
Effizienz ist der Motor der Moderne. Mit dem Siegeszug des Kapitalismus wurde die Effizienz zum Gott des Fortschrittszeitalters.


Kapitel 2 - Was die Entropie mit der Wirtschaft zu tun hat

Das Entropiegesetz beschreibt die natürliche Richtung der Energieumwandlung:

Verfügbare Energie, geordnete chemische Strukturen oder getrennte Stoffe wandeln sich von selber in
Unverfügbare Energie, ungeordnete Strukturen, Durchmischung.

Die Entropie ist der Grad der Durchmischung, und der wird in einem isolierten System im Verlauf der Zeit immer größer.

Wenn ich also in einem isolierten System Verfügbare Energie bereitstellen will (weniger Entropie), werde ich an anderer Stelle in diesem System mehr Durchmischung/Entropie verursachen.

Ist das auch für nicht-Chemiker im Alltag relevant?

Ja, z.B. für alle Lebewesen.

Jedes Lebewesen besteht aus organisierten chemischen Strukturen. Um diese zu erstellen, braucht das Lebewesen verfügbare Energie. Um Energie verfügbar zu machen, muss das Lebewesen an anderer Stelle mehr Entropie oder "Unverfügbarkeit" erstellen.

Die Pflanzen haben dafür die beste Lösung gefunden, denn sie nutzen das Licht der Sonne. In der Sonne verbrennt das Material (mehr Entropie in der Sonne), und setzt dabei verfügbare Energie (= Licht) frei. Pflanzen nutzen das Licht, um mit der Photosynthese energiearmes Wasser und CO2 in  energiereichen Sauerstoff und Zucker umzuwandeln.

Tiere können keine Photosynthese betreiben, und bedienen sich daher bei den Pflanzen. Das Endresultat des tierischen Stoffwechsels ist energiearmer Kot.

Der Pflanzenfresser muss Unmengen Gras und Früchte vernichten, um zu überleben.

Der Fleischfresser wiederum muss Unmengen von Tieren vernichten, um zu überleben.

Ein Fleischfresser wie z.B. ein Löwe braucht 80 - 90% seines Energiebedarfes für die anstrengende Jagd, also fürs Rumrennen. Nur die verbleibenden 10 - 20% der Energie im Beutetier bleiben tatsächlich zum Wachsen übrig.

Das Beutetier stellt also unfreiwillig die Energie für seine eigene Bejagung zur Verfügung.

Das oberste Ende der Nahrungskette braucht also sehr viel vom Energie- und Ressourcen- Reichtum der Natur.

Das gilt auch für den Mensch und seine Wirtschaftsaktivitäten. In der Landwirtschaft sowieso, aber auch in anderen Wirtschaftszweigen bedeutet der Verbrauch von Energie und Rohstoffen, dass dadurch die Menge der energiereichen Rohstoffe abnimmt, und der Abfall (nicht nutzbare Endprodukte) zunimmt.

z.B. die riesigen Abraumhalden bei jedem Bergwerk, oder das C02 beim Verbrennen von Öl, Kohle, Gas.

Zitat S. 49, leicht gekürzt

Das Entropiegesetz erinnert uns daran, wie absurd eine Größe wie das Bruttoinlandsprodukt zur alljährlichen Ermittlung des Wohlstands einer Nation ist.
Das BIP misst nur den Wert aller verkauften Produkte und Dienstleistungen.
Doch der Verkaufspreis trägt nicht im Entferntesten den Kosten Rechnung, die bei jedem Schritt der Wertschöpfungskette durch den Verbrauch der Energie- und Rohstoffreserven der Erde sowie den entropischen Abfall entstehen.

Oder in einfacheren Worten:
Das BIP misst die Wohlstandsvermehrung. Doch es misst nicht die gleichzeitige Wohlstandsvernichtung.

Ein Autounfall beispielsweise erhöht das BIP, weil der Automechaniker Arbeit bekommt, oder der Autoverkäufer ein neues Auto verkauft.
Doch das BIP berücksichtigt nicht, dass der Besitzer des kaputten Autos hinterher ärmer ist als vorher.

Zitat S. 39

Während des Industriezeitalters ging ein Drittel der Böden unseres Planeten durch Erosion verloren, und Wissenschaftler sagen uns, dass wir zur Ernährung der Weltbevölkerung nur noch Erdreich für 60 Jahre haben.

Zitat S. 55, gekürzt

Die kurzfristigen Erträge, die in den letzten 250 Jahren durch die Industrie angehäuft wurden, sind winzig und flüchtig im Vergleich zur langfristigen Zeche, deren negative Auswirkungen noch während kommender Erdzeitalter zu spüren sein werden.

Wie also können wir eingedenk dieser Erkenntnis neu verstehen, was Wohlstand wirklich ausmacht?


Kapitel 3 - gleichzeitige Krisen verstärken sich

Hier versucht Rifkin darzustellen, wie auf den ersten Blick unterschiedliche Problemfelder sich gegenseitig verstärken.

Ganz kurz zusammengefasst:
Z.B. die auf maximale Produktion getrimmte moderne Landwirtschaft erzielt mit Hilfe von Kunstdünger und Pestiziden sehr große Erträge pro Hektar.
Die geernteten Pflanzen wachsen aber auf einem Boden, der inzwischen, nach ein paar Jahrzehnten industrieller Landwirtschaft, ausgelaugt ist und nicht mehr viele andere Nährstoffe enthält.
D.h. die Pflanzen werden anfälliger und können nur dank mehr Pestiziden überleben, und die Pflanzen sind auch weniger nährstoffreich und daher für den Menschen ungesünder.

Inzwischen sinken in manchen Gegenden trotz aller Bemühungen die Erträge wieder, u.a. auch weil der Boden durch künstliche Bewässerung versalzen, durch falsche Bodenbearbeitung erodiert (durch Regen weggeschwemmt), oder durch den Klimawandel die klimatischen Bedingungen schlechter werden.

Die Landwirtschaft wiederum ist einer der Haupt-Treiber des Klimawandels, mit 23 - 29% der Treibhausgase (S. 63)

Die enorme Zunahme an Fettleibigkeit und Herz-Kreislauf-Erkrankungen korreliert mit dem sinkenden Nährstoffgehalt der Lebensmittel.
Die Lebensmittelindustrie will verarbeitete Lebensmittel herstellen, die möglichst lange haltbar sind. Frische Lebensmittel wären gesünder, sind aber umständlicher für Landwirte, Industrie und Handel.

Fettleibigkeit wiederum begünstigt die Gefährdung durch Virenerkrankungen, wie z.B. in der Übersterblichkeit während der Coronapandemie zu beobachten.

Während der spanischen Grippe 1918 ging die Mehrzahl der Todesfälle gar nicht direkt auf das Konto des Virus, sondern auf Sekundärinfektionen durch Bakterien.

Inzwischen, im 21. Jahrhundert, gehen uns die Antibiotika gegen Bakterien aus, wegen der Entwicklung von Resistenzen, die durch übertriebene Nutzung der Antibiotika in der Tierhaltung und in der Humanmedizin entstehen.

S.67 Die Weltbank warnt, dass antibiotikaresistente Bakterien die nächste große Pandemie auslösen könnten.

S. 67 bearbeitetes Zitat:
Dem unbedarften Beobachter mag es nicht weiter tragisch vorkommen, wenn wir diese Kausalzusammenhänge außer acht lassen und in unserer gesellschaftlichen Kosten-Nutzen Rechnung eher die positiven Seiten der industriellen Landwirtschaft oder der Antibiotika-Nutzung betonen.
Tatsächlich aber riskieren wir damit einen Flächenbrand von einander aufschaukelnden und extrem langlebigen negativen Effekten.

Für das gegenseitige Verstärken von mehreren gleichzeitigen Epidemien oder sozialen Problemen hat sich der Begriff Syndemie etabliert.

Zitat. S 70.

Die Finanzkrise 2008 war auch eine Ölkrise:

Der Ölpreis erreichte im Juli 2008 einen Höchstwert von 147 Dollar pro Barrel ... Die Wirtschaft ging in den Sinkflug, weil so viele unserer Produkte mit Öl hergestellt und transportiert werden....

Der Juli 2008 markiert den Anfang vom Ende des auf fossilen Rohstoffen basierenden Industriezeitalters. ... Der Zusammenbruch des Finanzmarktes war ein Nachbeben.


Kapitel 4 - Das Industriezeitalter beschleunigt alles

Wie Mönche die Uhr wiederentdeckten, wie Künstler und Philosophen die Mathematik voranbrachten.

Kurze Zusammenfassung der Industrialisierung: Wie der Holzmangel in Großbritannien den Kohlebergbau vorantrieb, wie Dampfmaschinen Bergbau und Transport enorm beschleunigten, wie die Eisenbahn Entfernungen zusammenschrumpfte, wie Telegraphen die Kommunikation beschleunigten.

Kapitel 5 - Gegen Privatisierung öffentlicher Güter und Einschränkung der Freiheit

Private Agrarunternehmen zerstören den Erdboden und den Regenwald für kurzfristige Gewinne.
S. 91 Bildung von 5cm neuem Boden dauert unter natürlichen Umständen ca. 1000 Jahre

S. 96 Hochseefischer fischen die Weltmeere leer.

S. 99 Private Anbieter von Leitungswasser und Kanalisation sind in den USA ca. 60% teurer als öffentliche Stadtwerkte.

S 107 wir verlassen uns so sehr auf Navi-Apps, dass wir ohne sie hilflos sind

5.1 Die Neuverkabelung des menschlichen Gehirns

S. 113 Visuelle Medien wie Internet, Videospiele, social Media vermitteln Informationen in eher kleinen Häppchen, oft eher durch Bild und Ton als durch Text, und oft in schneller zeitlicher Abfolge oder in Echtzeit.

Durch den Gebrauch dieser Medien lernen Menschen, Informationen schneller aufzunehmen, aber es bleibt weniger Zeit für Reflexion, Analyse und Fantasie

Das Gehirn ist hochgradig formbar, und verändert sich, je nach dem wie man es nutzt.

Intensive Nutzung von visuellen Medien verschlechtert Impulskontrolle (z.B. sich nicht von Zielen ablenken lassen), Entscheidungsfindung

Das mit visuellen Medien einhergehende Multitasking verursacht eine schlechtere kognitive Gesamtleistung.

5.2. Künstliche Intelligenz

Zitate
S. 117 Künstliche Intelligenz wird mit Datensätzen aus der Vergangenheit trainiert. Diese Datensätze können Ungleichheiten und Fehlannahmen aus der Vergangenheit fortschreiben, z.B. das schwarze Menschen krimineller oder dümmer sind.

in der Wirtschaft dient KI vor allem der optimierten Werbung und dem optimierten Produktdesign, und kann dazu führen, dass wir vergangene Vorlieben einfach weiterführen. Der Raum für Neues, Kreatives verengt sich dadurch.

KI in den Medien bzw. in personalisierten Newsfeeds und Timelines wirkt als Filter und kann Informationsblasen erzeugen, und dadurch gesellschaftliche Spaltungen vergrößern.

S. 119 Algorithmen stellen Effizienz über Korrektheit oder Fairness.

S. 121 Wenn KI zur Vorhersage des Verhaltens von ganzen Bevölkerungsgruppen eingesetzt wird, können Gewerkschaften, Vereine, NGOs proaktiv daran gehindert werden, ihre Anliegen zu verfolgen.

S. 122 Prävention durch KI ist die ultimative Machtausübung, sie hält Bevölkerungsgruppen im permanenten Lockdown.

Aktuell dazu:

https://www.zeit.de/politik/ausland/2023-05/sam-altman-kuenstliche-intelligenz-chatgpt-usa-kongress

Sam Altman dem Geschäftsführer von OpenAI, jenem Unternehmen, das den Chatbot ChatGPT erfunden hat. sagt: "Meine schlimmste Befürchtung ist, dass wir, die Industrie, der Welt erheblichen Schaden zufügen."

Kapitel 6 - Arbeitsplätze und verschuldete Verbraucher

S. 123 Nachfragekrise in den USA in den 1920ern
Die Fabriken produzierten immer mehr mit immer weniger Menschen, die auch immer weniger Geld zur Verfügung hatten.
Verschiedene Lösungen:
Manche Unternehmen erhöhten die Löhne.
Die Werbebranche erlebte ihren ersten Höhepunkt und erzeugte den unzufriedenen Verbraucher
Die Banken boten Konsumkredite an.

Das war aber nicht nachhaltig, und mit dem Börsenkrach 1929 fiel das System erstmal zusammen.
Der Staat schaffte dann Nachfrage und Arbeitsplätze mit Infrastrukturprojekten (New deal)

Der 2. Weltkrieg löste das Problem erstmal, weil man viele Soldaten brauchte, und die Wirtschaft stellte Waffen her.

Nach dem Krieg hielten einige Entwicklungen die Wirtschaft am Laufen:
der Staat baute Autobahnen, Familien konnten sich ein Auto leisten, damit konnten sie in die Vorstädte ziehen und sich dort ein Haus bauen, und mit dem Auto in Urlaub fahren.

1978 hatten 90% der US Amerikaner ein Fernsehgerät. Das Programm war kostenlos, aber aus wirtschaftlicher Sicht war das Fernsehen in erster Linie ein gut funktionierendes Werbemedium

S. 130 Um den Konsum am Laufen zu halten, ermöglichten Gesetzesänderungen die Kreditvergabe auch an Kunden ohne Bonität (Subprime-Kredite)

Die Automatisierung der Industrie, die Verlagerung von Arbeitsplätzen durch die Globalisierung und die Subprime Kredite schafften eine prekäre Lage.

Als dann 2008 noch der Anstieg des Ölpreises dazukam, konnten zu viele US-amerikanische Menschen ihre Kredite nicht mehr bezahlen, und die Blase platzte 2008 (Finanzkrise)

S. 134 die wirtschaftliche Erholung bis 2020 (Beginn der Corona Krise) ist zu einem Gutteil nur eine Fata Morgana, die durch die weitere Verschuldung der Verbraucher ermöglicht wurde.

Unternehmen sind an der Lösung dieser Verbraucherkrise (z.B. durch höhere Löhne) erstmal nicht interessiert, weil es die Gewinne schmälern würde.

Automatisierung und weniger Arbeitsplätze

S. 135 die schlanke Produktion (japanisch Kaizen) senkt die Produktionskosten, aber führt für den Mitarbeiter zu mehr Leistungsverdichtung

S.138 Bei Amazon hat jeder Mitarbeiter im Lager einen Tracker am Gürtel, wo die neuen Arbeitsaufträge erscheinen, aber der auch den Mitarbeiter überwacht. Amazon ist der effizienteste und inzwischen größte Versandhändler der Welt.
S.141 UPS führte 2009 ein ähnliches System ein, und konnte seine Effizienz deutlich steigern.

S. 142 Gamification: Schulungen und Arbeitsanweisungen des Arbeitgebers kommen im Gewand des Computerspiels daher.

S.145 Der Moment, wo in Fertigung und Logistik die Technik effiziert wird als der Mensch, rückt näher.
Das wird ca. 8% aller aktuellen Arbeitsplätze vernichten.

Doch je nachdem, wie wir unsere Gesellschaft gestalten, werden auch andere Arbeitsplätze entstehen.

Kapitel 7 - Selbstbild des Menschen - Individuum, Gruppe und Biom

Das Individuum

Im Animismus, der Weltsicht der Jäger und Sammler,  ist der Mensch kein unabhängiges Individuum. Die Gruppe zählt. Tiere sind wie Menschen, nur in anderer Gestalt.
Man kann von anderen Tieren viel lernen, wie man an Nahrung kommt.

Das Anthropozän, das Zeitalter, in dem der Mensch eine ganze Erdschicht prägt, kann man an den Beginn der landwirtschaftlichen Revolution vor 10 000 Jahren legen, oder an den Beginn des Fossilzeitalters vor 300 Jahren.

Das moderne Menschenbild sieht den Menschen hauptsächlich als unabhängiges Individuum. Dieses Bild wurde unter anderem durch die Industrialisierung geprägt, wo ein Mensch als individuelle  Arbeitskraft gesehen wird; und durch die Verstädterung, die Großfamilien-Verbände und Dorfgemeinschaften auseinander riss und zur Vereinzelung führte.

Ausflug in die Physik, Biologie und Ökologie

S. 156 Physik

Wenn die aktuelle Physik die Welt und die Dinge beschreibt, dann benutzt sie Wörter wie "Ding" oder "Objekt" gar nicht mehr. Denn es stellt sich heraus, das selbst ein "Ding" wie ein Atom oder ein Elementarteilchen in Wirklichkeit gar kein richtiges "Teilchen" ist, sondern ein Punkt im Raum, der durch Wellen in Wechselwirkung mit anderen Punkten steht. (Welle/Teilchen Dualismus)

In anderen Worten: Unsere ganze Wirklichkeit besteht aus Netzwerken von Kräften, die miteinander interagieren. Ein isoliertes Teilchen gibt es nicht. Die Eigenschaften eines Teilchens lassen sich nur durch die Wechselwirkung mit anderen Teilchen beschreiben.

Es gibt auch keinen statischen Gleichgewichtszustand. Es verändert sich immer alles.
Nur die Zeiträume variieren: Manche Muster oder Wellen, wie z.B. das Entstehen und Vergehen von Sternen, haben eine Zeitperiode von Milliarden Jahren.
Andere Muster oder Wellen, wie die Schwingungen von Atomen, haben eine Periode von Nanosekunden.

Biologie

Zellen sind nicht statisch. Zellen sind halb-geschlossene Systeme. Sie nehmen dauernd Stoffe (Atome, Moleküle) aus der Umwelt auf, und scheiden Stoffe aus. Eine Zelle ohne Umwelt ist tot.

Auch die Form der Lebewesen ist ständig im Fluss. Jede neue Generation ist etwas anders als ihre Eltern.

Ökologie

Die Ökologie interessiert sich nicht für das einzelne Lebewesen, sondern für deren Zusammenspiel in einem gemeinsamen Lebensraum. Dieser Lebensraum heißt Ökosystem oder Biom

Der Mensch als Biom

Das Durchschnittalter einer menschlichen Zelle ist 7 - 10 Jahre. Unser Körper verändert sich dauernd im Laufe unseres Lebens.

S. 162 Innerhalb von einem Jahr werden ca. 90% der Atome in unserem Körper durch neue ersetzt.

Unser Körper besteht aus ca. 30 Billionen Zellen.
In und auf unserem Körper leben nochmal ca. 30 Billionen Bakterien, ca. 3 Billionen Pilze, und ca. 300 Billionen Viren.
Bakterien und Pilze helfen uns bei der Verdauung und Stoffwechselvorgängen
Die meisten Viren nützen eher als dass sie schaden, denn sie halten die schädlichen Bakterien in Schach.

Der Mensch ist also eher ein Lebensraum oder Mikrobiom, als ein geschlossenes System.
Ohne die Bakterien wären wir tot.
Krankheiten und Störungen des Mikrobioms hängen zusammen.

Die Erkenntnis daraus ist:
S. 168

Die Ökosysteme des Planeten enden nicht an der Grenze zu unserem Körper, sondern setzen sich in unseren Innereien und unseren Mitbewohnern fort.

Zitat S. 170

Jeder von uns ist ein Muster, hervorgebracht von zahllosen Kräften uns unterschiedlichen Zeitebenen und Maßstäben.

Kapitel 8 - Wie chemische und elektromagnetische Rhythmen, Wellen und Perioden unser Leben gestalten

Unser Leben verläuft ganz offensichtlich in Rhythmen ab:

  • Wir atmen erst ein, dann wieder aus.
  • Unser Herz füllt sich mit Blut, und drückt das Blut wieder raus.
  • Der Mensch ist auf konzentrierte Aktivitäten von ca. 90 Minuten eingestellt, danach beginnt eine Ruhepause.
  • Wir suchen Nahrung und essen erst, und verdauen dann.
  • Wir sind wach und aktiv, und erholen uns dann inaktiv im Schlaf.
  • Periodisch alle 4 Wochen sind wir empfängnisbereit.
  • Im Sommer sind wir aktiver als im Winter.
  • Wir legen Vorräte an, und verbrauchen sie.
  • Wir wachsen, bekommen Kinder, und sterben.

S. 173 Um möglichst leistungsfähig und gesund zu sein, muss ein Organismus nicht nur auf Veränderungen in der Umwelt reagieren (es wird dunkel, hell, es wird kalt, warm), sondern diese auch vorwegnehmen, um die Umstände möglichst optimal auszunutzen.

Dafür gibt es viele inneren Uhren und Taktgeber, die auf der Basis von chemischen, aber auch elektromagnetischen Prozessen laufen.

Diese Uhren laufen nicht völlig unabhängig, sondern synchronisieren sich am Tagesrhythmus oder Jahresrhythmus.

Die Zugvögel fliegen los, die Weidetiere wandern und die Bäume verlieren ihre Blätter, noch bevor es Winter und richtig kalt wird. Der Rhythmus funktioniert auch beim milden Herbst.
Andersrum auch: Die Vögel und Pflanzen legen schon im Frühling los, obwohl der Sommer noch gar nicht richtig da ist. Das funktioniert auch bei einem kalten Frühling.

Auch Menschen mussten sich über ihre gesamte Geschichte Vorräte anlegen für die Trockenzeit oder die Winterzeit, und sie mussten ihre Jagdplänen den Rhythmen der Tierwanderungen anpassen.

Wenn die Synchronisation durcheinanderkommt, z.B. zu viel blaues Licht am Abend, unregelmäßiger Schlaf, oder Schichtarbeit, steigt das Risiko von Erkrankungen wie Herzprobleme, Diabetes, Krebs, psychische Störungen.

S. 177 Auch der Klimawandel stört die jahreszeitlichen Rhythmen von Trockenzeit/Regenzeit oder Sommer/Winter, was viele Tiere und Pflanzen in Schwierigkeiten bringt.

S. 180 auch das Erdmagnetfeld ist an der Regulierung der inneren Uhren beteiligt.

S.186 Magnetfelder werden auch in der Medizin für Behandlung eingesetzt. Im Prinzip regt man mit passenden Magnetfeldern die Aktivität der Zellen an.

S.189 Bioelektrische Signale/Felder/Wellen (z.B. geladene Ionen) bestimmen, wo welches Körperteil wächst.

Kapitel 9 - Ökologische Systeme und Anpassungsfähigkeit

S. 194 Eine wichtige Eigenschaft von ökologischen Systemen (und allen komplexen Systemen) ist die Resilienz: die Fähigkeit, Veränderungen in den Umweltbedingungen aufzufangen, und weiterzubestehen

Um die Resilienz zu stärken, würde man das System nicht auf maximale Effizienz trimmen, sondern auf Flexibilität.

Die Zukunft hält immer Ungewissheit bereit. Niemand kann alle Auswirkungen des Klimawandels genau vorhersagen.

Ein resilientes System ist wandelbar, es verändert sich mit veränderten Bedingungen.

S. 198

Die große Aufgabe der Gesellschaft besteht darin, mit Veränderungen leben zu lernen und die Fähigkeit zu entwickeln, mit ihnen umzugehen, statt sie auszublenden. 

Dies ist der Punkt, an dem die Gesellschaft die Effizienz hinter sich lässt und sich die Anpassungsfähigkeit zu eigen macht, um in der Beziehung zur Erde von der Ausbeutung zu einer Reharmonisierung zu gelangen. 

Viele Menschen haben den Glauben verloren, dass die Wirtschaft bereit ist, die Übel zu beheben, die uns in diese prekäre Lage gebracht haben.

Natur ist nicht hauptsächlich ein Rohstofflager und ansonsten wertlos, sondern Lebenskraft.

S. 200 wie erforscht man komplexe Systeme?

  • Es bringt nichts, sich nur die Einzelteile (Objekte) isoliert anzuschauen, denn Systemeigenschaften sind emergent: sie verschwinden, wenn man die Einzelteile isoliert.
  • Es kommt weniger auf die Teile an, sondern auf die Beziehungen zwischen den Teilen.
  • von geschlossenen zu offenen Systemen: Es gibt keine eindeutige Grenze
  • Erforschung von komplexen Systemen geht nicht, ohne dass man das System beeinflusst (oder externe Beeinflussungen abwartet), und dann die Reaktion studiert

S. 205 Anpassungsfähigkeit ist ein neuer Wettbewerbsvorteil. Das bedeutet für Unternehmen mehr dezentrale Entscheidungsstrukturen

S. 207 Schulunterricht und Forschung wird interdisziplinärer werden müssen, um unsere Welt realistischer zu verstehen.

S. 208 der Mensch ist einer der anpassungsfähigsten Arten auf unserem Planeten.
Seit 800 000 Jahren ist das Klima sehr instabil: lange Eiszeiten wechseln sich mit kurzen Warmzeiten ab.

Der Mensch überlebte mit einer flexiblen Ernährung und Anpassungsfähigkeit an unterschiedlichste Zonen von Gletscherregionen über Wüsten bis zu Regenwäldern.

S. 210 Im relativ stabilen Klima der letzten 10 000 Jahre haben wir unsere Fähigkeit der Anpassung erweitert, und die Umwelt an uns angepasst. Unser Sammlerinstinkt führt dazu, dass wir bei jeder Gelegenheit mehr Überschüsse lagern.

(Nicht im Buch enthalten) Die Bewohner der nördlichen Breiten mussten schon immer Vorräte für den Winter anlegen.

Doch diese Überschüsse sind sehr ungleich verteilt: Die Hälfte der Weltbevölkerung lebt nicht besser als früher, und die Überschüsse konzentrieren sich auf die reichen Länder.

Kapitel 10 - die Infrastruktur der 3. industriellen Revolution

S. 215 Infrastruktur:

  • Energie Bis zum Mittelalter fast nur Holz (Daher die Entwaldungen)
    seitdem Kohle, Öl, Gas, Wind, Sonne
  • Transport Bis zum Mittelalter fast nur Tiere und Schiffe (angetrieben durch Futter und Wind)
    seitdem Eisenbahn, Autos, Flugzeuge (angetrieben durch Öl)
  • Telekommunikation Bis zum Mittelalter fast nur Papier
    seitdem Telegraph, Telefon, Radio, Fernsehen, Internet

Gesellschaften werden mehr durch ihre Infrastruktur geprägt, als gemeinhin wahrgenommen.

Kohle, Dampfmaschinen und die Eisenbahn ermöglichte die 1. industrielle Revolution, welche die Arbeiterklasse und Verstädterung hervorbrachte.

Die Infrastruktur war so aufwendig, dass sie nur von großen Unternehmen und Aktiengesellschaften zu stemmen war, und begünstigte die Konzentrierung von Kapital und Macht.

Elektrifizierung und der Verbrennungsmotor ermöglichte die 2. industrielle Revolution, welche die industrielle Landwirtschaft und die Globalisierung hervorbrachte.

Jeremy Rifkin sagt eine 3. industrielle Revolution voraus, bei der der Strom dezentral aus Sonne und Wind kommt und das Internet überall sein wird.

Netzwerke werden wichtiger als Unternehmensgröße.

Viele Komponenten wie Solaranlagen, Batterien und E-Autos befinden sich im Besitz der Bürger.

Internetmonopolisten haben zwar im Moment große Macht, doch sie können durch Gesetze eingehegt werden. Außerdem begünstigt das Internet dezentrale Strukturen und alternative Angebote.

S. 221 Die neue digitale und dezentrale Infrastruktur bietet Aussicht auf Demokratisierung der Wirtschaft.

S.223 Jede wirtschaftliche Tätigkeit (Wissen, Energie, Autos) ist potentiell eine Dienstleistung, die geteilt werden kann.

S. 224 Das könnte man fast als neues Wirtschaftssystem namens "dezentrale Share-Wirtschaft" bezeichnen

S. 227 Das Verständnis von Wohlstand wird sich ändern

  • von Eigentum zu Zugang - man braucht es nicht besitzen, um davon zu profitieren
  • Wohlstand braucht nicht immer mehr Ressourcenverbrauch, sondern Kreislaufwirtschaft
  • Naturkapital ist wichtiger als Finanzkapital
  • von zentralisierten zu verteilten Wertschöpfungsketten
  • von BIP Bruttoinlandsprodukt zu Lebensqualität
  • von Globalisierung zu regionaler Wertschöpfung
  • von globalen Konzernen zu agilen und mittelständischen High Tech Unternehmen
  • von Geopolitik zu Biosphärenpolitik

S. 229 Situation in den USA: 20Jahres-Plan IRA Inflation Reduction Act, 

S. 234 die Infrastruktur der Zukunft muss widerstandsfähiger werden

Das Stromnetz muss widerstandsfähiger gegen Brände, Überschwemmungen und Stürme gebaut werden, d.h. vernetzter, Teilnetze müssen im Notfall autark funktionieren, mehr unterirdisch.

Trinkwasserversorgung muss widerstandsfähiger werden gegen Dürre: Mehr Sensoren, weniger Lecks, mehr Verbrauchsmanagement, mehr Speicher, mehr Aufbereitung, mehr Kreislauf

Der Zustand der Ökosysteme muss besser überwacht werden, um Probleme rechtzeitig zu erkennen: Luftqualität, Wasserqualität, Bodenqualität, Tierbestände, Viren und Pandemien im Tierreich.


Kapitel 11 Politische Grenzen und ökologische Räume

S. 237 Klimakatastrophen machen nicht an politischen Grenzen halt, sondern erstrecken sich über ökologische Räume wie Gewässersysteme oder Klimazonen.
Politische Grenzen sind bei der Suche nach Lösungen eher hinderlich.

Stadt und Land

Die industrielle Revolution hat zur Entvölkerung der ländlichen Regionen, zur Begünstigung der Stadt und Verarmung des Landes, und damit zur Kluft zwischen Stadt und Land beigetragen.

Das führt zu politischem Extremismus auf dem Land.

S. 240 Der wirtschaftliche Graben zwischen Stadt und Land könnte kleiner werden:

  • das Internet macht es möglich, dass auch Unternehmen auf dem Land Zugang zu Verkaufsplattformen haben, und sich mit Geschäftspartnern vernetzen können
  • kleine Hightech-Unternehmen finden auf dem Land billigere Standorte
  • Digital Natives können dank Internet auch von ländlichen Regionen aus arbeiten

Der Klimawandel zwingt Städte und das ländliche Umland, enger zusammenzuarbeiten, weil sie das Wasser, die Ackerfläche und den klimaneutralen Strom teilen müssen

Massenaussterben und Landnutzung

Das aktuelle Massenaussterben wird im Moment noch hauptsächlich durch die menschliche Landnutzung verursacht, nicht durch den Klimawandel. (Wikipedia "Massenaussterben")

S. 245 Schutzgebiete sind von allen Maßnahmen die wirkungsvollste Lösung. Es ist die Rede von 30% - 50% der Erdoberfläche.

S. 246 Ökoregionen oder biogeographische Regionen sind Großräume mit ähnlichem Biom.
Davon gibt es 8 Stück:

  1. Australien
  2. Afrika
  3. Ozeanien
  4. Antarktis
  5. Asien südlich des Himalaya
  6. Asien nördlich des Himalaya inkl. Europa
  7. Nordamerika
  8. Süd- und Mittelamerika

Die bioregionale Ordnung ist die menschliche Gesellschaft in dieser Ökoregion.

S. 247 Wer sich mit seiner Region identifiziert, kümmert sich darum. 

historische Gesellschaften haben die Ordnung um die Allmende herum organisiert, und die Menschen waren tief mit ihrer Region verbunden.

S.248 ff einige Beispiele aus den USA, wo sich die Mitglieder bestimmter geographischer Regionen untereinander absprechen: Cascade Range, Great Lakes

S.254

Wo liegen die Prioritäten bei der Bewirtschaftung der Region:

Wenn es um die wirtschaftliche Ausbeutung geht, dann wird die Umwelt an die Anforderungen des Menschen angepasst.

Wenn um den Schutz der Ökosysteme geht, dann passt sich der Mensch an die Anforderungen des Ökosystems an.


Kapitel 12 Die Demokratie wird persönlicher

In der mittelalterlichen Feudalgesellschaft war der größte Teil der Bevölkerung, die Bauern und Leibeigenen, sehr unfrei - sie durften ihr Ackerland nicht verlassen.

Mit dem Beginn der Industrialisierung entdeckten die Landbesitzer, dass sich mit Schafswolle mehr Geld machen lässt als mit Pachtzinsen vom Bauern. Sie vertrieben die Bauern.

Gleichzeitig brauchte man Arbeiter in den Fabriken der Städte.

Die Bauern waren nun nicht mehr gezwungen, am Ort zu bleiben, insofern gewannen sie Freiheit. Der Preis war aber die Abhängigkeit von Lohnarbeit.

Freiheit bedeutet aber nicht nur die Freiheit, umziehen zu dürfen, sondern auch die Möglichkeit, ein lebenswertes Leben zu führen, mit Zugang zu Essen, Wohnen, Gesundheit, Mitbestimmung, heutzutage z.B. auch der Zugang zum Internet.

Bei der repräsentativen Demokratie delegieren die Bürger ihr Mitbestimmungsrecht an die Abgeordneten des Parlamentes. Das hat Vorteile, ist aber auch eine Entmündigung des Bürgers
Eine direktere Demokratie erfordert viel mehr Mitarbeit der Bürger, und kann in die Herrschaft des Pöbels umschlagen.

Dennoch funktioniert die traditionelle repräsentative Demokratie nicht mehr gut, weil sie oft über die Köpfe der Betroffenen hinweg entscheidet, und anfällig für Parteidenken, Lobbyismus und Elitismus ist.

Die wirtschaftliche Kluft zwischen Stadt und Land grenzt große Teile der Bevölkerung von der Teilhabe aus.

Die Bürger müssen also mehr einbezogen werden. Der Föderalismus ist dabei hilfreich, (Entscheidungen auf Ebene der Gemeinde, des Landkreises, des Bundeslandes, der Nation, der EU bzw. USA), aber es ist immer noch ein System der Delegation.

Auch das Verhältniswahlrecht ist besser als das Mehrheitswahlrecht, weil es zu Koalitionen zwingt, und nicht fast die Hälfe der Bevölkerung ohne Vertretung im Parlament zurücklässt. Beim Verhältniswahlrecht ist im Prinzip JEDE Stimme im Parlament vertreten.

Dass Bürger mehr mitentscheiden müssen, liegt auch daran, dass im Falle von Krisen und Katastrophen der Staat sowieso überfordert ist. Er braucht die Hilfe aller.

3 Beispiele für gelungene Bürgerbeteiligung

Finanzhaushalt der Großstadt Porto Alegre, Brasilien.

S. 261 Der traditionell durch das Stadtparlament beschlossenen Haushalt bevorzugte die reichen Stadtviertel, und vernachlässigte die armen Stadtviertel.

Beim neuen Verfahren sind Vertreter aller Stadtteile und Bürgerorganisationen beteiligt.

Erfolge: Stadtteile werden an die Wasserversorgung angeschlossen, Bildung und Gesundheit verbessern sich, Straßennetz in den Armenvierteln verbessert sich.

Ähnliche Beteiligung der Öffentlichkeit bei der Finanzplanung in New York.

Schulbildung in Chicago

S. 265 Die Schulen in Chicago waren die schlechtesten des Landes.
Bei einer Bildungsreform im Jahr 1987 wurden 11 köpfige Schulräte eingeführt, bestehend aus 6 Eltern, dem Rektor, zwei Lehrern, einer Person aus der Schulverwaltung und einem Schüler. Der Schulrat hat u.a. die Macht, den Rektor zu bestimmen und den Finanzhaushalt zu beschließen.

30 Jahre später gehören die Schüler zu den besten des Landes - weil die Schule sich besser auf die Bedürfnisse der Schüler einstellt.

Polizeiüberwachung in Chicago

Streifenbeamte und Bürger tauschen sich über die Sicherheit in ihrem Stadtviertel aus.

Ein Bürgerkomitee überwacht die Polizei, z.B. mit Untersuchungsausschüssen, Besetzung der internen Aufsichtsstelle.

Vorteile der Bürgerbeteiligung

- Bürger können ihre Probleme manchmal besser verstehen und lösen, als der Staat.

- Im Parlament werden Entscheidungen oft opportunistisch und entlang von Lagergrenzen mit einfacher Mehrheit getroffen; bei der Bürgerbeteiligung funktioniert der Prozess der politischen Willensbildung besser, und so sind Konsens und Einvernehmlichkeit besser erreichbar.

- Bürgerversammlungen wirken dem Echokammern und Blasenbildung entgegen.

Bürgerbeteiligung muss gesetzlich verankert werden, sonst wird sie zum Opfer von Parteipolitik.

Bürgerbeiräte auf nationaler Ebene.

Frankreich und Großbritannien haben einen repräsentativ ausgewählten Klimabeirat


Kapitel 13 Empathie mit Allem - das biophile Bewusstsein 

Bindung an Menschen und das Land

S. 281 wir haben die angeborene Fähigkeit zum Mitgefühl mit anderen.

S.282 Wenn wir das Leid und die Freude anderer erleben wie unsere eigene, dann regt sich in unserem Gehirn ein empathischer Impuls, und wir erkennen emotional und kognitiv an, dass der andere genauso verwundbar ist und genauso nach Glück strebt wie wir selbst.

S. 283 Kinder ohne ausreichende sichere Bindung haben später Verhaltensprobleme, schlechte schulische Leistungen.

Eltern in Armut können häufig ihren Kindern nicht die nötige Bindung und Fürsorge geben

Die Reichweite unserer Empathie hängt stark vom sozialen Umfeld und Prägung ab.

S. 285 Jäger und Sammler und die ersten Bauern empfanden Empathie und Bindung für ihre Gruppe und ihren Stamm, ihr Jagdwild und Jagdgebiet, ihre Felder, aber nicht für feindliche Stämme.

Mit den ersten großen landwirtschaftlichen Kulturen, welche Bewässerungsanlagen bauten und zentrale Getreidespeicher hatten, (Nildelta in Ägypten, Euphrat und Tigris, Indus in Indien, Jangtse in China) dehnte sich das Zugehörigkeitsgefühl auf Menschen aus, die man gar nicht kannte. Man teilte aber die gemeinsame Abhängigkeit von der Agrarkultur, und die gemeinsame Religion.

S. 286 Die gemeinsame religiöse Bindungsfigur machte sie zu einem Teil einer fiktiven Großfamilie.

S. 287 die industrielle Infrastruktur, die Ausweitung der Märkte über kleine Lokalgebiete hinweg brachte den Nationalstaat hervor. Damit dieser trotz des Gemisches an Volksgruppen zusammenhält, wurde die gemeinsame Nationalsprache, einheitliche Lehrpläne, Patriotismus und Nationalkultur wichtig.
Die Nation wurde zur gemeinsamen Großfamilie.

Nation als wichtigste Bindungsfigur, fiktive Großfamilie.

Die 3 bisherigen Bewusstseinsformen: animistisch, religiös, ideologisch (Einteilung ist aber zu grob)

Mit jedem Schritt weitete sich die Empathie aus - religiöse Toleranz, Abschaffung von Sklaverei, Folter, Völkermord, Einführung der Menschenrechte.

Diese Fortschritte wurden auch möglich durch die zunehmende Vernetzung der Menschheit durch integrierende Infrastrukturen, die die Menschen einander näher bringen.

Doch Clans, Stämme, Religionen oder Ideologien verschwinden nicht einfach, sondern bleiben Am Leben und können ihren gesunden Rahmen verlassen.

Doch die Menschheit lernt, mit ihren Mitlebewesen zu fühlen.

Menschen treten wieder in engeren Kontakt zur Biosphäre, die sie bewohnen. Die Macht der Empathie liegt auch in der räumlichen Nähe der Erfahrung.

Die Beziehung zwischen Mensch und Ökosystem wird enger, ob wir wollen oder nicht. Mit Dürre, Überflutungen, Missernten und Zusammenbruch von Ökosystemen dringt die Natur und die Klimaflüchtlinge mit Macht in unser Leben ein.

Resilienz besteht aus Widerstandsfähigkeit und Anpassungsfähigkeit. Die „sichere Bindung“ als Resultat einer sicheren Kindheit hilft bei der Anpassung.

Kindererziehung und Schule lassen wenig Raum für Naturerfahrung. 

Positive Naturerfahrungen erzeugen eine positive Bindung an Natur und Ort.  

S. 295 Konsum ist mit Drogensucht vergleichbar - je mehr wir konsumieren, desto unglücklicher werden wir.

Währen eines Waldspaziergangs sinkt der Stresspegel und die Entspannung steigt.

Naturerleben macht uns glücklicher und gesünder.

Wir haben in uns Biophilie und Biophobie.

Biophilie ist die angeborene Neigung

- , unsere Aufmerksamkeit auf Leben und Lebensprozesse zu richten. 

- zum Mitgefühl mit unseren Mitlebewesen und der natürlichen Welt. 

Waldpädagogik, Waldkindergarten


S. 301 Freiheit bisher: Autonomie, Eigenständigkeit, Vereinzelung

Freiheit besser: Teilhabe, Zugehörigkeit

Schulfächer wie Umweltforschung, Praktikum mit Ökologen, Schulfach Biologie und andere Fächer von der Ökologie her neu gedacht.

Wir müssen lernen, als Spezies zu denken und zu handeln.

S. 305 Zitat E.O. Wilson 

2 erbliche Eigenschaften, die einem moralischen Sinn am nächsten kommen:

- Mitgefühl mit dem Leid anderer

- Bindung zwischen Kindern und Bezugspersonen.

Ironie der Geschichte:

Erst durch komplexe Gesellschaften mit hohem Ressourcenverbrauch sind wir dem Stammesdenken entkommen und können unsere Empathie auf größere Gruppen ausdehnen. Erst die Globalisierung mit allen ihren negativen Folgen ermöglicht ein globales Bewusstsein.

Die Geburt des biophilen Bewusstseins geht zum Kern der Selbstwahrnehmung der Menschheit.

Es wird zur Sensibilität, mit der wir die Lebenskräfte unseres kleinen Teils der Biosphäre, in dem wir leben, behüten.

Zusammenhang zwischen Empathie und Demokratie:

Je mitfühlender eine Kultur, umso demokratischer ihre Werte und Herrschaftsformen.

S. 310 Ein reiches Netz von Beziehungen stärkt die Resilienz.

Zitat Goethe:

Der Einzelne kann nur froh und glücklich sein, wenn er den Mut hat, sich im Ganzen zu fühlen. … Durch Mitgefühl … mit allem Leben … tritt das schöne Gefühl ein, dass Die Menschheit zusammen erst der wahre Mensch ist.

Empathie hat neben der emotionalen auch eine kognitive Seite. Man kann nur mitfühlen, wenn man versteht.

S. 313 Neue Wege der Anpassung an die Natur helfen uns nicht nur zu überleben, sondern gemeinsam mit unserer Großfamilie, der Natur, zu neuer und unerwarteter Blüte zu finden.

Unsere jagenden und sammelnden Vorfahren lebten im Wechsel aus Biophilie und Biophobie, so wie es ihrer Teilhabe an der Natur entsprach. 

Das Gefühl der Sicherheit, das die von uns geschaffene industrielle Welt gibt, ist eine Illusion. Diese industrielle Welt verursacht den Klimawandel und das das 6. Massenaussterben. 

Der Ausweg ist eine bewusste Entscheidung, am Leben des Planeten wieder teilzuhaben.



Zitat S. 16




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