Wie könnte eine friedlichere Weltordnung aussehen?

Grundsätzliches

Unter welchen Umständen verzichten zwei Raufbolde darauf, einen Kampf anzufangen?

1. Wenn beide gleich stark bewaffnet sind, und ein Kampf beide vernichten könnte.

2. Wenn beide keine Waffen haben, denn ohne Waffen ist ein Kampf unnütze Anstrengung.

3. Wenn beide fürchten müssen, dass der Lehrer kommt, und sie bestraft werden.

Szenario 1 ist die Abschreckungslogik des Kalten Krieges. Weil es keine unabhängige Schieds-Instanz gibt, und weil man den anderen nicht entwaffnen kann, muss man ein Gleichgewicht der Waffen herstellen. Das ist ein ziemlich instabiles System.

Szenario 2 bzw. 3 ist der normale Alltag eines europäischen Bürgers. Wir verzichten auf Waffen, und geben das Gewaltmonopol an die Justiz ab.
Unter Bürgern der USA hat sich Szenario 2 noch nicht vollständig durchgesetzt, denn viele Bürger besitzen Waffen, was eine gegenseitige Bewaffnungsspirale in Gang setzen kann.


Aktuelle Weltordnung der Staaten

Im Moment haben einige Staaten viele Waffen, andere nicht, es gibt kein Gewaltmonopol, und auch keine durchsetzungsfähige Schieds-Justiz.
Diese unbefriedigende Situation hat letztlich den Ukraine-Krieg möglich gemacht. Die UNO hatte nicht die Möglichkeit, die ukrainische Grenze mit Blauhelmsoldaten zu sichern, weil Russland im UNO Sicherheitsrat sein Veto eingelegt hat.

 

Woher kommt die Sache mit dem Veto?

Das Veto ist ein Minderheitenschutz. Es verhindert, dass die Mehrheit der Minderheit ihren Willen aufzwingen kann. Das ist eigentlich eine gute Sache.

In jeder Demokrate ist Minderheitenschutz ein wichtiger Aspekt, der durch verschiedene Maßnahmen gewährleistet wird, z.B.

- Verhältniswahlrecht: Auch die unterlegenen Parteien sind im Parlament vertreten
- Föderalismus: Nicht alles wird in der Hauptstadt entschieden, sondern was vor Ort entschieden werden kann, wird auch dort beschlossen.
- Die Balance von Parlament und Rat: Auch wenn ein kleines Bundesland im Parlament nur schwach vertreten ist, hat es im Bundesrat doch eine volle Stimme.
- Die Justiz: Minderheiten haben Rechte, die sie vor Gericht durchsetzen können.
- Checks and Balances: Die Macht liegt nicht nur bei einer Institution.


Weiterentwicklung der UNO

Diese Prinzipien müssten auch auf die UNO übertragen werden.

Der internationale Gerichtshof müsste nicht nur Urteile fällen, sondern auch die Möglichkeit haben, diese durchzusetzen.
Globale Verträge müssten Rüstungskontrolle ermöglichen.
Die UNO Blauhelme könnten sich zu einer internationalen Armee entwickeln.
Das Völkerrecht muss durchsetzbar werden.

Dazu muss das Vetorecht im UNO-Sicherheitsrat nicht unbedingt abgeschafft werden.
Manche Aufgaben des Sicherheitsrates könnten auch an andere UNO-Gremien abgegeben werden.
Schlussendlich müssten die Machtverhältnisse zwischen diesen Gremien so austariert werden, wie das bei anderen supranationalen Organisationen wie der EU und den 50 Staaten der USA auch schon funktioniert.
Auch die Bundesrepublik Deutschland hat als supranationaler Bund von 15 einzelnen Ländern angefangen.

Ist diese Vision utopisch?

Ich verstehe, wieso die USA so eine rechtsbasierte Weltordnung mit Skepsis sehen. Denn im Moment ist die weltweite Wirtschaftsordnung durchaus zum Vorteil der USA organisiert. Der Dollar als Leitwährung bringt den USA enorme Vorteile. Und auch bei den globalen Wertschöpfungsketten fließt am Ende sehr viel in die USA - weil die USA die Spielregeln bestimmen können.

Doch auf lange Sicht ist es meiner Ansicht nach durchaus realistisch, denn alle würden davon profitieren.

Klar müssten die Weltmächte, vor allem die USA, Souveränität abgeben. Aber sie würden auch einiges gewinnen:

- mehr Sicherheit, weniger internationale Spannungen
- weniger Ausgaben fürs Militär
- die wirtschaftlichen Lieferketten wären stabiler
- globale Aufgaben wie der Klimaschutz lassen sich gemeinsam besser bewältigen


Ist der Mensch nicht zu böse und lernresistent für eine solche friedliche Weltordnung?

Es ist wahr, jeder Mensch hat das Potential für Aggression und Mord in sich.
Aber ob sich das entfaltet, hängt von den Umständen ab. Wenn ich unfair behandelt werde, wenn meine Existenz bedroht ist, wenn ich dauernd Angst haben muss, wenn ich mich immer selbst verteidigen muss, wenn ich um knappe Ressourcen kämpfen muss, dann werde ich entsprechend gewalttätig.

Menschen können aber durchaus auch friedlich zusammenleben, und ihre unvermeidlichen Konflikte ohne Gewalt lösen. Auf nationaler Ebene funktioniert das in Demokratien schon seit vielen hundert Jahren.

Man muss also entsprechende Strukturen schaffen, wo ich zu meinem Recht komme, und wo Ressourcen gerecht verteilt werden. Unter diesen Umständen gibt es wenig Grund, Gewalt anzuwenden, weil ich von Gewaltanwendung nicht profitiere.

Besteht da nicht die Gefahr einer weltweiten Diktatur?

Diese Gefahr besteht ja jetzt auch schon, und zwar nicht zu knapp. Ich will nicht entscheiden müssen, ob ich in einer russischen, chinesischen, oder US-republikanischen Diktatur leben will.
Das Rezept zur Vermeidung einer Diktatur ist immer das selbe:

- Gewaltenteilung (Parlament, Regierung, Justiz, Medien)
- politische Bildung, mündige Bürger
- stabile demokratische Institutionen und Strukturen
- gerechte Ressourcenverteilung*

Das Zeitalter der beiden Machtpole China und USA

Beide Staaten haben meiner Ansicht nach noch nicht kapiert, dass sie den jeweils anderen nicht dominieren können - oder nur um den Preis einer dauernden Gewaltanwendung.
Muss es erst zu einem großen Krieg zwischen USA und China kommen, bis sie es verstehen?

Ich denke, der Rest der Welt, insbesondere die EU, kann mithelfen, diesen Krieg zu vermeiden, in dem sie auf Regeln pocht. Wer mit der EU Handel treiben will, muss sich an Regeln halten. Das gilt sowohl für die USA als auch China. Und in beiden Staaten gibt es neben den Falken auch die Tauben. Der Lauf der Geschichte ist offen.
Frieden ist immer ein Zustand, der aktiv herbeigeführt werden muss. Es passiert nicht von selber. 

Die Lektionen aus den beiden Weltkriegen, dem kalten Krieg, und jetzt dem Ukraine-Krieg sind eigentlich offensichtlich.
Die Nachkriegsordnung nach dem 2. WK hat einige Geburtsfehler, aber es ist nicht unmöglich, diese zu beheben.


Was ist mit der Friedensbewegung?

Der pazifistische Slogan "Frieden schaffen ohne Waffen" klingt erstmal einleuchtend.
Doch wenn alle Staaten sich freiwillig entwaffnen sollen, dann muss das Gewaltmonopol trotzdem irgendwo angesiedelt sein. Diese Weltpolizei muss auch Waffen besitzen, damit sie glaubhaft damit drohen kann. D.h. ganz ohne Waffen wird es nicht gehen, selbst wenn es keine nationalen Armeen mehr gibt.


* von Wohlstandsverteilung will ich nicht sprechen. Denn das ist eine große Unbekannte: Unsere modernen Demokratien haben sich alle unter dem Umstand einer permanenten Wohlstandsvermehrung entwickelt. Doch das kann und wird nicht ewig so weitergehen. Wie werden sich die Bürger in einer Demokratie verhalten, wo sie ihre eigene Wohlstandsreduzierung beschließen müssen?
In einer Demokratie wird meist erst etwas beschlossen und durchgesetzt, wenn die Mehrheit der Bürger es kapiert hat. Das dauert manchmal frustrierend lang :-)

Kommentare

  1. Nachrichtenmeldung vom 7. Juli 2022:

    Neuseelands Premierministerin Jacinda Ardern hat dem UN-Sicherheitsrat Versagen in seiner Reaktion auf den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine vorgeworfen.
    Verantwortlich für die Versäumnisse des Sicherheitsrats im Umgang mit der russischen Ukraine-Invasion sei die Tatsache, dass Russland in dem Gremium ein Veto-Recht hat, sagte Ardern am Donnerstag bei einer Rede in Sydney.
    ...
    Neuseeland werde sich für eine Reform des höchsten UN-Gremiums einsetzen um zu verhindern, dass dessen Werte und Relevanz sinken.
    ...
    Der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag müsse die Mittel erhalten, um die in der Ukraine verübten Kriegsverbrechen zu untersuchen und zu verfolgen.

    https://www.trtdeutsch.com/politik-welt/neuseeland-ardern-wirft-un-sicherheitsrat-versagen-im-ukraine-krieg-vor-9477837

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    1. https://www.tagesschau.de/newsticker/liveblog-ukraine-donnerstag-137.html#Neuseeland-fordert-Reform-des-UN-Sicherheitsrat

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  2. Der Rechtshistoriker Samuel Moyn sagt, dass der Krieg abgeschafft werden könnte wie einst die Sklaverei.

    ZEIT ONLINE: Was wäre denn der erste Schritt, um zu einer Welt ohne Kriege zu gelangen?

    Moyn: Zuallererst müssen wir den UN-Sicherheitsrat reformieren. Ein kleiner Schritt in die richtige Richtung wäre zum Beispiel, wenn auch die UN-Generalversammlung Fälle von Angriffskriegen an den Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag verweisen könnte. Im Moment kann das nur der UN-Sicherheitsrat, wo Russland ein Veto hat.

    ZEIT ONLINE: Wieso wäre es besser, wenn die UN-Generalversammlung hier entscheiden würde?

    Moyn: In der Generalversammlung zählen die Stimmen jedes Landes gleich viel. Die Großmächte haben auch kein Vetorecht. Damit wäre es zum Beispiel möglich, den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine in Den Haag aufzuarbeiten. Ganz generell müssen wir Institutionen schaffen, die in der Lage sind, auch die mächtigsten Staaten der Welt daran zu hindern, zu den Waffen zu greifen. Wir müssen uns endlich aus dem Würgegriff des Krieges befreien, in dem die mächtigsten Länder uns festhalten.

    https://www.zeit.de/gesellschaft/2022-07/samuel-moyn-frieden-krieg-geschichte-interview

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  3. Bundesaußenminister fordert Reformen für UN-Sicherheitsrat

    Heiko Maas sieht das UN-Gremium für Friedenssicherung als "allenfalls bedingt handlungsfähig". Dafür macht er die USA, China und Russland verantwortlich.


    Die Bundesregierung sieht sich darin in ihrer Forderung nach einer grundlegenden Reform bestärkt, bei der Deutschland zusammen mit anderen Ländern einen ständigen Sitz erhalten würde. Über eine solche Reform wird allerdings bereits seit Jahrzehnten diskutiert, bisher ohne Fortschritte.

    https://www.zeit.de/politik/2020-12/heiko-maas-aussenminister-reformen-un-sicherheitsrat-usa-china-russland

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