Warum gibt es in Deutschland arme Menschen?


Das rechte Lager sagt dazu (zugegebenermaßen überspitzt):
Die sind selbst schuld/faul/können nicht mit Geld umgehen.

Das linke Lager sagt dazu (auch überspitzt):
Die Gesellschaft/Kapitalismus ist ungerecht, die gierigen Reichen sind schuld.

In beiden Positionen steckt ein Stückchen Wahrheit drin, aber sie haben die tieferen Ursachen von Armut nicht erfasst.

Denn warum wird jemand zum Sozialhilfeempfänger?
Oder warum werden die Reichen immer reicher?

 

In Deutschland ist man meistens arm, weil die Eltern auch schon arm waren.
Die Weichen für eine lebenslange Armut werden in den ersten 20 Lebensjahren gestellt. Wer in dieser Zeit benachteiligt ist, schafft es meistens nicht mehr, aus der Armutsfalle hinauszufinden.

Benachteiligt bedeutet:

- weniger Unterstützung durch die Familie, weil die selber keine Ahnung haben, und die Eltern den ganzen Tag arbeiten.

- Ausgrenzung durch die Schulkameraden, weniger soziale Kontakte und Netzwerke

- schlechtere Schulen, weniger Förderung durch die Lehrer, weniger Zugang zum Gymnasium, weniger Uni-Abschlüsse

- weniger Erbschaften

- strukturschwache Wohnregion


Kinder aus armen Familien trauen sich selber weniger zu, und haben mehr Angst, etwas zu wagen.

20% der Kinder in Deutschland sind arm. Das ist eine viel zu große Gruppe.

Sie haben nicht die gleichen Chancen, und sind weniger in der Lage, die vorhandenen Chancen zu nutzen.
Die beste Chance bringt nichts, wenn ich sie nicht nutzen kann.

 Chancengleichheit/Chancengerechtigkeit bedeutet also 

1. Jeder soll die gleichen Startchancen haben, aber auch

2. Jeder soll die nötigen Fähigkeiten haben, seine Chancen zu nutzen.

 

Es gibt leider keine einfachen Lösungen.

Der reichere Teil der Gesellschaft grenzt sich mehr oder weniger bewusst ab. Man lebt in Wohngegenden, die sich eben nicht jeder leisten kann, und an den Schulen bleiben die Kinder unter sich.
Unsere Kinder gehen auch aufs Gymnasium.

Wer reiche Eltern hat, wird selber wahrscheinlich auch reich sein.
Die soziale Durchlässigkeit in Deutschland ist geringer als in vielen anderen europäischen Staaten.

Was kann man tun?

Ein Startguthaben vom Staat, z.B. 20.000 EUR mit 18 Jahren, würde bestimmt ein bisschen helfen, aber das Geld kann die Defizite der vergangenen 18 Jahre nicht ausgleichen.

Man könnte das Startguthaben auch schon bei der Geburt bereitstellen, aber die Zweckgebundenheit ist  zu gewährleisten.

Die Förderung von benachteiligten Kindern muss im Grunde genommen schon im Kindergarten anfangen, bis ins Berufsleben hinein. 

Jede Schule muss die gleichen Chancen bieten.

Auch in Deutschland sind die ärmeren Teile der Bevölkerung proportional stärker betroffen von den steigenden Energiekosten und Lebenshaltungskosten.


Was kann man noch tun?

Soll man den Reichen Geld wegnehmen?
Das rührt an die Frage der Leistungsgerechtigkeit. Wer hat am Ende des Tages mehr geleistet? Die Krankenschwester in ihrer 10h-Schicht, oder der Manager, der beim Golf einen erfolgreichen Deal eingefädelt hat?

Wer soll am meisten verdienen -

- der am fleißigsten ist?
- der den stressigsten oder unangenehmsten Job hat?
- der am meisten Verantwortung für das Leben anderer hat?
- der den Gewinn des Unternehmens am meisten steigert?

Die Realität ist, das Begabungen unterschiedlich verteilt sind. Nicht jeder hat die Fähigkeit, Manager oder Arzt oder Ingenieur zu werden. Wer aber in einer solchen Position angekommen ist, nutzt sie natürlich auch, um viel zu verdienen.

Welche Tätigkeit ist gesellschaftlich wertvoll?
Diese Fragen der Gerechtigeit besser zu handhaben, ist eine gesellschaftliche Mammutaufgabe.

Globale Perspektive

Global gesehen kommen noch die Ungerechtigkeiten des weltweiten Handels- und Wirtschaftssystems hinzu. Die Wertschöpfung passiert nicht da, wo die Rohstoffe herkommen.
Wer in einer korrupten oder industriearmen Gesellschaft lebt, hat einfach weniger Chancen.

Die armen Staaten sind überproportional von den Folgen des Klimawandels betroffen.

Demokratische Staaten kümmern sich meistens besser um ihre Bürger.


Quellen:

https://www.dkhw.de/schwerpunkte/kinderarmut-in-deutschland/
https://www.zeit.de/campus/2022-05/grunderbe-deutschland-armut-ungleichheit
https://www.tagesspiegel.de/politik/soziale-mobilitaet-deutsches-bildungssystem-erfolgreicher-als-angelsaechsisches/25603744.html

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