Affektlogik

 Kurzdefinition:

Logische Gedanken sind im Gehirn immer auch mit Gefühlen (Affekten) verknüpft.

D.h. Kognition und Emotion stehen immer in Wechselwirkung.

Dies führt im Gehirn zu „Ablaufprogrammen“, sogenannten Fühlen-Denken-Verhalten Mustern.

Interessante Erkenntnisse

Wissenschaft

„Affektive Komponenten sind auch an allem wissenschaftlich-mathematischen und formal logischen Denken beteiligt. Denn logische Widersprüche und Unstimmigkeiten gehen mit Unlustgefühlen, stimmige Lösungen dagegen mit Gefühlen der lustvollen Entspannung (sog. Heureka-Gefühlen) einher. Positive Gefühle bahnen und befestigen den Weg zu „rationalen“, d. h. möglichst spannungsarmen und affektenergetisch ökonomischen Lösungen, während negative Gefühle dazu beitragen, logische Unstimmigkeiten zu vermeiden.“

Kommunikation

„Erfolgreiche Kommunikation hängt oft mehr von der emotionalen Tönung als vom Inhalt einer Botschaft ab. Informationen mit Affektfärbungen, die mit der eigenen affektiven Befindlichkeit harmonieren, werden bevorzugt beachtet und aufgenommen, während gefühlsmäßig unangenehme Informationen missachtet werden. 

Kommunikation wird begünstigt durch eine möglichst ähnliche „affektive Wellenlänge“ der beteiligten Kommunikationspartner.

Geschickte Redner passen deshalb ihre (verbale und nicht-verbale) Sprache gezielt der Stimmung ihres Publikums an bzw. versuchen zuerst eine gemeinsame emotionale Atmosphäre zu schaffen, bevor sie ihre Botschaft einbringen.“

Entzauberung

„die Erkenntnis, dass all unser Denken und Handeln in einem noch viel größeren Umfang, als es schon die Psychoanalyse behauptet hatte, nicht primär rational, sondern von vielfältigen affektiven Befindlichkeiten geleitet ist.“


Wikipedia:

Ausführlicher:

Gedanken des Entdeckers Luc Ciompi:

Persönliche Gedanken

Bedeutet das, dass meine Abkehr vom evangelikalen Christentum hauptsächlich emotional begründet ist?
Die Antwort auf diese Frage ist brisant. Wenn es so wäre, könnte man alle meine Argumente und Erkenntnisse beiseite wischen, denn dann wäre das Ganze nur eine emotionale Reaktion, ohne objektive, rationale Basis.

Zunächst einmal:
Ja, es haben auch emotionale Faktoren eine Rolle gespielt. Emotionen sind der Antrieb, gewohnte Denkmuster zu verlassen. Wenn ich mich im evangelikalen Christentum rundum wohl gefühlt hätte, dann hätte ich keinen Anlass gehabt, all diesen Stress, die Unsicherheit, das aufs Spiel setzen von persönlichen Beziehungen, in Kauf zu nehmen.

Es ist ein bisschen wie oben im Absatz über die Wissenschaft beschrieben: 
Es wurde immer schwieriger für mich, die Widersprüche im evangelikalen Christentum auszuhalten.
Ich wollte nicht mehr in dieser kognitiven Dissonanz leben, also habe ich versucht, diese Widersprüche zu klären. Dass diese Glaubensreise mich weg vom evangelikalen Christentum führen würde, habe ich am Anfang nicht abgesehen.

Es hätte auch ganz anders laufen können. Die meisten Menschen in meinem Alter ändern ihre Weltsicht nicht mehr. Insofern bin ich, wie jeder Mensch, geprägt von der eigenen Biographie.

Man kann sich aber entscheiden, über das eigene Leben, die eigenen Einstellungen und Prägungen zu reflektieren. Man kann sich selber besser kennen lernen. Man muss nicht Gefangener der eigenen Biographie sein.

Das gehört auch zum Lernprozess dazu: Dass wir Menschen zugleich kognitiv und emotional gesteuert sind.

Es gibt ja die 3 Kränkungen, nach Freud:
  1. Die kosmologische Kränkung: Die erste Erschütterung sei die mit dem Namen Kopernikus verknüpfte Entdeckung gewesen, dass die Erde nicht der Mittelpunkt des Weltalls ist (vgl. Kopernikanische Wende).
  2. Die biologische Kränkung: Die zweite Kränkung lag in der Entdeckung, dass der Mensch aus der Tierreihe hervorgegangenist (Charles Darwin und andere).
  3. Die psychologische Kränkung: Die dritte Kränkung sei die von ihm entwickelte Libidotheorie des Unbewussten; ein beträchtlicher Teil des Seelenlebens entziehe sich der Kenntnis und der Herrschaft des bewussten Willens. Die Psychoanalyse konfrontiere das Bewusstsein mit der peinlichen Einsicht, (…) daß das Ich nicht Herr sei in seinem eigenen Haus.

Für religiöse Menschen (wie ich einer war), kommt noch eine 4. Kränkung hinzu: Je mehr ich mich mit meiner Religion beschäftigte, desto mehr musste ich erkennen: Das Fundament der eigenen Theologie erweist sich als nicht tragfähig. Die eigene Religion ist nicht so viel anders als alle anderen Religionen. Das ist nicht leicht zuzugeben.

Ich habe wirklich viel investiert in den eigenen Glauben. Ich habe mich als Erwachsener nochmal taufen lassen. Ich habe 6 Jahre als Missionar gearbeitet, und weitere 6 Jahre in einem christlichen Medienunternehmen.
Ich habe an meiner Beziehung mit Jesus gearbeitet.
Irgendwann jedoch musste ich feststellen, dass das eine sehr einseitige Beziehung war. Ich war mir irgendwann nicht mehr sicher, ob meine Glaubenserfahrungen wirklich auf einen Jesus zurückzuführen waren, der in einer aktiven Beziehung zu mir steht. Inzwischen führe ich meine Glaubenserfahrungen (die sehr real waren), nicht mehr auf einen Gott zurück, der eine persönliche Beziehung zu mir hat.

Kennt jemand den Glaubenskurs „Gott erfahren“?
Ich hatte damals große Hoffnungen in diesen Kurs gesetzt. Die Erfahrungen waren allerdings ernüchternd. Es läuft im Prinzip darauf hinaus, dass Gotteserfahrungen vor allem psychische Erfahrungen sind. Wenn Gott spricht, dann halte ich in meinem Kopf Zwiesprache mit einem Gegenüber, so wie ich ihn mir vorstelle. Gottes Worte und Gedanken sind in Wirklichkeit Worte und Gedanken, die in meinem eigenen Kopf entstehen - inspiriert durch jahrzehntelange Prägung.


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