Wie ist das Leben entstanden?

Ist diese Frage, abgesehen von wissenschaftlicher Neugier, wichtig für unser Leben?

Direkte Auswirkungen auf den normalen Alltag hat diese Frage eher nicht.
Aber sie prägt natürlich unser Weltbild, und damit auch unsere gesellschaftlichen und politischen Entscheidungen.

Für die längerfristige Zukunft kann das Wissen, wie Leben entstanden ist, enorme Konsequenzen haben:
- Wie wahrscheinlich ist Leben in anderen Sonnensystemen?
- Wollen wir neuartiges Leben erschaffen?
- Wie kann das Leben überleben, wenn unser Planet in vielen Millionen Jahren von der Sonne verschluckt werden wird?


https://www.scinexx.de/dossier/spurensuche-in-der-ursuppe/





Diese Erkenntnisse stehen in gewissem Widerspruch zur biblischen Aussage, dass die Menschen von Gott erschaffen sind - zumindest wenn man die Bibel sehr wörtlich liest.

Viele Christen lesen die Bibel als autoritatives Werk mehr oder weniger wörtlich, und hadern deshalb mit den Erkenntnissen der Wissenschaft.

Das führt manche christlichen Autoren zu der Behauptung, dass es prinzipiell unmöglich ist, dass Leben von selbst entstanden ist.

John Lennox behauptet in seinem Buch „Hat die Wissenschaft Gott begraben“ genau das.

Vorbemerkung:
Wer die obigen Links gelesen hat, dem ist klar, dass es noch viele ungelöste Fragen und ungesicherte Antworten zur Entstehung des Lebens gibt. 
Was John Lennox und ich also klären wollen: 
Reichen diese Wissenslücken aus, um zu behaupten, dass nur Gott Leben erschaffen haben kann?

Die Argumente von Lennox

1. Es gibt keine Evolution im Bereich der Zellen  (ab S.173) 

Man kann die heutigen Zellen nicht in eine evolutionäre Reihenfolge bringen. Außerdem benutzen sie alle die gleiche Grundkonstruktion. Es gibt keine „einfacheren“ Zellen.

2. Irreduzible Komplexität (S. 174)

Zellteile wie die Geißel (das Flagellum) funktionieren nicht mehr, wenn man ein Teil entnimmt.
Gleichzeitig ist die Geißel so komplex, dass sie nicht als Ganzes durch Zufall entstanden sein kann.
Das ist der Beweis, dass sie nicht evolutionär entstanden sein kann.

3. Passende Aminosäuren können nicht von alleine entstehen (S. 178)

- Aminosäuren entstehen chemisch immer in gleicher Anzahl links- und rechtsgerichtet. In der Zelle kommen aber nur linksgerichtete vor.
- die chemischen Aminosäuren sind viel zu kurz

4. Die richtigen Proteine können nicht zufällig aus den Aminosäuren entstanden sein (S. 181)

Deswegen müssen sie erschaffen worden sein.

5. Selbstorganisation funktioniert nicht (S. 183)

Chemische Elemente organisieren sich zum Teil selber zu Polymeren.
Peptide organisieren sich auch selber.
Aber daß Polymere sich zu Peptiden organisieren, ist zu unwahrscheinlich.
Es gibt keine einfachen Replikations-Polymere

6. DNS ist nicht spontane Selbstorganisation, sondern festgelegte Organisation (S. 187)

Daher kann sie nicht durch Selbstorganisation entstanden sein.

Meine Antworten...

... sind natürlich nicht auf meinem Mist gewachsen, sondern ich zitiere nur - genauso wie der Mathematiker Lennox auch nur zitiert, wenn es um Biologie geht.
Der Unterschied zwischen Lennox und mir ist, dass ich meine Quellen (hoffe und denke ich) nicht ganz so selektiv aussuche, und mich nicht auf viele einzelne, eher philosophische Zitate stütze, sondern versuche, das Gesamte zu verstehen.
Ich habe, im Gegensatz zu Lennox, kein Quellenverzeichnis mit hunderten Autoren am Ende meines Artikels.
Mein Artikel enthält aber viele Links. Jeder dieser Links führt zu den entsprechenden, umfangreichen Quellenverzeichnissen. (Dem Internet sei Dank - ohne das Internet müsste ich mir unzählige Fachbücher kaufen, oder auf eine Uni-Bibliothek zurückgreifen.)

1. Es gibt keine Evolution im Bereich der Zellen  (ab S. 173) 

Man kann die heutigen Zellen nicht in eine evolutionäre Reihenfolge bringen. Außerdem benutzen sie alle die gleiche Grundkonstruktion. Es gibt keine „einfacheren“ Zellen.

Es stimmt, dass es heute keine einfacheren Zellen mehr gibt.
Aber früher gab es die sehr wahrscheinlich. Das ist die sogenannte „RNA-Zelle“, welche Lennox nicht erwähnt - aus Unkenntnis? (Bitte um Hinweis, falls ich es übersehen haben sollte) Diese Theorie gab es auch 2002, zur Veröffentlichung der englischen Erstausgabe, schon.

Mehr dazu:

2. Irreduzible Komplexität (S. 174)

Zellteile wie die Geißel (das Flagellum) funktionieren nicht mehr, wenn man ein Teil entnimmt.
Gleichzeitig ist die Geißel so komplex, dass sie nicht als Ganzes durch Zufall entstanden sein kann.
Das ist der Beweis, dass sie nicht evolutionär entstanden sein kann.

Die evolutionäre Entstehung des Flagellums ist seit spätestens 2006 (Nick Matzke) erklärbar. Da hat die Wissenschaft Lennox überholt.
Viele Teile des Flagellums hatten sich ursprünglich für andere Funktionen entwickelt, und wurden erst später ins Flagellum integriert. Es gibt auch einfachere Flagellum-Konstruktionen.

Diesen Prozess, dass Körperteile im Laufe der Zeit sich zu neuen Funktionsgruppen anordnen, beobachtet man häufiger.
So ist unser Mittelohrknochen früher ein Kieferknochen gewesen. Knochen bleiben fossil erhalten, deswegen kann man die allmähliche Verschiebung des Knochens beobachten.
Federn dienten zuerst der Isolierung, bevor sie allmählich aerodynamische Eigenschaften annahmen.



Das Konzept der nichtreduzierbaren Komplexität lässt sich so zusammenfassen:
„Man weiß nicht, wie die Komplexität sich entwickelt hat, also kann es nur ein Designer gewesen sein“
Das ist ein klassisches argumentum ad ignorantiam, ein Argument durch Nichtwissen.


3. Passende Aminosäuren können nicht von alleine entstehen (S. 178)

- Aminosäuren entstehen chemisch immer in gleicher Anzahl links- und rechtsgerichtet. In der Zelle kommen aber nur linksgerichtete vor.



Kurz zusammengefasst:

Durch den Bruch der Spiegelsymmetrie entsteht ein winziges, enantiomeres Ungleichgewicht, dies ist der Schlüssel zur Homochiralität. Die Chirale Amplifizierung führt zu einer enantiomeren Anreicherung. Chiralitätsübertragung erlaubt die Übertragung der Chiralität von einer Molekülgruppe auf eine andere.

Die Frage ist, wie die Spiegelsymmetrie am Anfang gebrochen wird. Entweder es gibt schon von Anfang an eine nicht-symmetrische Aminosäure, wie z.B. auf Meteoriten zu finden, oder winzige Ungleichmäßigkeiten verstärken sich, weil das Produkt der Ungleichmäßigkeit wiederum die Ungleichmäßigkeit verstärkt.

4. Die richtigen Proteine können nicht zufällig aus den Aminosäuren entstanden sein (S. 181)

Deswegen müssen sie erschaffen worden sein.

Ab S. 11, Kapitel 1.4.1




Zusammenfassung:
Es gibt mehrere Erklärungen (Meereis, Glimmer, ozeanische Vulkanschlote, die ersten Zellen brauchten keine Proteine), die alle denkbar sind. Keine davon ist momentan prinzipiell unmöglich.

5. Selbstorganisation funktioniert nicht (S. 183)

Chemische Elemente organisieren sich zum Teil selber zu Polymeren.
Peptide organisieren sich auch selber.
Aber daß Polymere sich zu Peptiden organisieren, ist zu unwahrscheinlich.
Es gibt keine einfachen Replikations-Polymere

Das sind die Ribozyme.


Leider taucht dieser Begriff bei Lennox nicht auf.

6. DNS ist nicht spontane Selbstorganisation, sondern festgelegte Organisation (S. 187)

Daher kann sie nicht durch Selbstorganisation entstanden sein.

Lennox spricht hier den Übergang von der RNA-Welt zur DNA-Welt an.
Ribozyme sind die Lösung:


Das Grundproblem von John Lennox

In den meisten Argumenten von John Lennox lässt sich ein gewisses Muster erkennen:
1. Der Sprung von einem Organisationsschritt zum nächsten ist sehr groß, daher —>
2. Dieser Sprung kann nicht zufällig stattgefunden haben, weil er zu unwahrscheinlich ist.

Auch in den meisten meiner Entgegnungen lässt sich ein Muster finden:
1. Lennox (bzw. seine Zitate) sind nicht auf dem aktuellen Stand der Forschung, deswegen erwähnt er die ganzen kleinen Zwischenschritte nicht.
2. Die Wahrscheinlichkeit für die ganzen kleinen Zwischenschritte ist gar nicht so niedrig, wenn man die Umweltbedingungen die frühen Erde und die langen Zeiträume mit einberechnet.

D.h. die Grundthese von Lennox, dass das Leben nicht von selbst entstanden sein kann, ist nicht haltbar, weil es für sämtliche seiner Einwände eine oder mehrere plausible Erklärungen gibt. Wir können im Moment noch nicht sagen, welche dieser Erklärungen (oder sogar alle) richtig sind.
Aber dass die Erklärungen prinzipiell falsch sind, konnte Lennox nicht darlegen.

War Gott NICHT an der Enstehung des Lebens beteiligt?

Ist damit 100% bewiesen, dass das Leben auf der Erde nicht von einem intelligenten Wesen initiiert wurde?
Nein. 
Es ist durchaus denkbar, dass eine ausserirdische intelligente Zivilisation die Ursache für die Meteoritenbrocken ist, welche homochirale Aminosäuren enthalten. Vielleicht wurde so die Entwicklung des Lebens auf der Erde deutlich beschleunigt.
Vielleicht hatte diese Zivilisation viel mehr Zeit, als wir auf dem Planeten Erde jemals haben werden.
Vielleicht werden eines Tages auch wir diese Zivilisation sein, welche die Keimzellen des Lebens ins Weltall schickt?

Abschlussbemerkung - warum ist dieses Forschungsgebiet so schwierig?

1. Es gibt naturgemäß keine Fossilien der ersten Lebewesen, d.h. das Objekt der Untersuchung existiert nicht mehr. Es gibt nur noch Rückstände.

2. Die Erde hat sich in den letzten Milliarden Jahren gewaltig gewandelt, d.h. die Bedingungen der Untersuchung existieren auch nicht mehr.

3. Wir können den ganzen Prozess auch nicht in Echt im Labor nachstellen, denn er hat viele Millionen Jahre benötigt. Alle Laborprozesse sind daher nur künstliche „Zeitraffer“ Versionen.

D.h. es bleibt uns nichts anderes übrig, als viele einzelne Prozesse gedanklich aneinanderzuhängen, wie eine Dominokette. 
Die Entstehung des Lebens, so wie sie auf der Erde stattgefunden hat, wird sich nicht mehr wiederholen, weil die Bedingungen dafür nicht mehr existieren.
Alles, was wir machen können, ist eine (vermutlich etwas ) andere Art der Entstehung des Lebens zu simulieren. Genau werden wir es nie erfahren, denn selbst die ersten Urzellen geben nur Hinweise, keine komplette Aufzeichnung.

Auf anderen Planeten könnte die Entstehung vermutlich etwas anders ablaufen.

Es stimmt, dass die genaue Reihenfolge, wie das Leben auf der Erde entstanden ist, insgesamt sehr unwahrscheinlich ist.

Das trifft aber auf jede Reihenfolge zu:
Wenn ich in einem Kartenspiel 32 Karten austeile, ist die Wahrscheinlichkeit, dass genau diese Reihenfolge zustande kommt, so unwahrscheinlich, dass man diese genaue Reihenfolge nicht noch einmal in der Lebenszeit des Universums erwarten kann.
Es gibt aber so viele mögliche Reihenfolgen, dass das egal ist - eine Reihenfolge kommt schließlich dabei heraus, egal wie unwahrscheinlich sie ist.

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